Das Spiel ist aus

-

ANALYSE. Grasser muss ins Gefängnis: Typen wie er haben die Politik jahrelang bestimmt. Auch deswegen stehen heute ganz andere an ihrer Stelle. Stocker etwa. Oder Kickl.

Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser muss ins Gefängnis: Der Oberste Gerichtshof hat die erstinstanzlichen Urteile wegen Untreue und Geschenkannahme in der Causa BUWOG mit einem Gesamtschaden von knapp zehn Millionen Euro bestätigt und die unbedingte Freiheitsstrafe wegen „unangemessener Verfahrensdauer“ statt auf acht auf vier Jahre festgelegt. Dass sich ein Finanzminister derart persönlich bereichert habe, sei „beispiellos“, erklärte die Vorsitzende des Richtersenats Christa Hetlinger: Das hätte man in Österreich nicht verortet.

Das Spiel ist aus. Typen wie Grasser haben die Politik jahrelang bestimmt. Einige von ihnen waren eher Lebemenschen, die eine gewisse Leichtigkeit zur Schau stellten und darauf achteten, sich beliebt zu machen. Allen war ein ausgeprägtes „Ich“ gemein sowie die Eigenschaft, so ziemlich genau das Gegenteil einer bedächtig wirkenden Amtsperson, geschweige denn eines Verantwortungsträgers zu verkörpern, der sich um eine bessere Gesellschaft bemüht.

Grasser war nicht der erste. Jörg Haider beispielsweise war gerne mit dem Porsche und auf Partys unterwegs. Er hatte seine Krisen, wenn er das Gefühl hatte, nicht geliebt zu werden, er folgte weniger eigenen Überzeugungen als Stimmungen, machte aus der FPÖ etwa eine dezidiert antieuropäische Partei. Kalkül: Damit hat die Partei viele von denen, die gegen die EU sind, allein für sich. (Ein Prinzip, dem die Partei bis heute bei vielen Fragen folgt.)

Karl-Heinz Grasser hatte einen Red-Bull-Kühlschrank im Finanzministerbüro, galt nicht wenigen als der Traum von einem Schwiegersohn. Immer freundlich und bestens gelaunt, nie um einen flotten Spruch verlegen. „Ein guter Tag beginnt mit einem sanierten Budget“ und so. Österreichweit füllte er Säle, wenn er über seine Vorstellungen von einem schlanken Staat mit einem ausgeglichenen Haushalt referierte. Wie für seine damalige, unglaublich teure Homepage waren Sponsoren dafür aufgekommen. Grenzen im Sinne von Unvereinbarkeiten lösten sich auf. Aus Karl-Heinz Grasser wurde KHG, eine Marke.

2007 wollte ihn der bisherige Kanzler und scheidende ÖVP-Chef Wolfgang Schüssel als Vizekanzler im Kabinett Alfred Gusenbauer (SPÖ) durchsetzen. Insbesondere Andreas Khol verhinderte das. Es wäre ein Bruch gewesen: Die Volkspartei hätte sich aufgegeben, um von der Strahlkraft des ehemaligen Freiheitlichen zu profitieren.

2017 gab sie sich dann wirklich auf, um sich ganz Sebastian Kurz zu überlassen. Man ließ ihn schalten und walten, wie er wollte, schließlich glaubte man, mit ihm dauerhaft nur gewinnen zu können. Auch Kurz steht für diesen Zugang, bei dem Politik ein Spiel ist, das aus purem Eigennutz betrieben wird. Daher dieser unsägliche Fokus auf Umfragen und Botschaften, diese Vernachlässigung von Inhalten sowie das Herbeiführen nachhaltiger Veränderungen zum Vorteil möglichst vieler.

Heinz-Christian Strache kann man ebenfalls noch dazunehmen. Allein das Ibiza-Video hat in seinem Fall so unglaublich tief blicken lassen.

Doch damit ist es vorbei. Ein Glück? Vorsicht. Bestimmend sind heute ganz andere Typen. Grasser, Kurz und Strache haben unfreiwillig zu einer Gegenbewegung beigetragen, die schließlich durch die großen Krisen der Gegenwart verstärkt worden ist: Der Typ Christian Stocker ist kein Zufall. In der ÖVP hatte man keine Zukunftshoffnung mehr, aber wenigstens ihn: Ein schlichter, solider Mann, der nicht strahlt, sondern für viele authentisch und damit wohltuend wirkt. Der in gewisser Weise auch der Ernsthaftigkeit der Zeit entspricht. Der sich aber auch erst beweisen muss, bei dem man noch nicht weiß, worauf er hinauswill mit Land und Leuten.

Auf der anderen Seite Herbert Kickl: Er ist in vielem das glatte Gegenteil von Strache oder auch Haider und damit erst recht ernst zu nehmen. Kickl ist kein geselliger Typ, er hat so gut wie keine Freunde. Er sagt nicht nur, was bestimmte Zielgruppen gerne hören, sondern glaubt es auch. Er will wirklich den Staat umbauen, Remigration durchführen und den ORF etwa zerschlagen. Das ist kein Spiel.

dieSubstanz.at ist ausschließlich mit Ihrer Unterstützung möglich. Unterstützen Sie dieSubstanz.at gerade jetzt >

dieSubstanz.at – als Newsletter, regelmäßig, gratis

* erforderliche Angabe


Könnte Sie auch interessieren

DSGVO Cookie Consent mit Real Cookie Banner