Blümel: Und demnächst mit iPod und Chips?

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ANALYSE. Kleider machen Politik. Sowohl der Medienminister ohne Schuhe als auch der Innenminister in Uniform sind eine Botschaft.

Zu schlichter Empörung ist der Auftritt von Medien- und Europaminister Gernot Blümel (ÖVP) nicht angetan: Zu viele ähnliche oder gar noch ärgere Beispiele dazu gibt es, dass der Vertraute von Bundeskanzler und ÖVP-Chef Sebastian Kurz diese Woche im Nationalrat allen Ernstes die Schuhe auszog und in türkisen Socken durch den Plenarsaal spazierte. Als wäre es sein Wohnzimmer, sodass man sich nicht mehr weiter darüber wundern dürfte, wenn er bei nächster Gelegenheit auch noch mit iPod und Chips auftreten würde. Grünen-Legende Kaspanaze Simma ist einst barfuß im Vorarlberger Landtag gesessen. Joschka Fischer ist 1985 in Turnschuhen zur Angelobung als hessischer Umweltminister geschritten. Und ein vorübergehender Hoffnungsträger der österreichischen Grünen, Julian Schmid, ist zuletzt im Kapuzen-Sweater am Rednerpult des Nationalrats gestanden. Bei jedem war es eine Botschaft.

Wer vergisst sich an einem solchen Ort?

Bleiben wir jedoch in der Gegenwart und wenden uns wieder Gernot Blümel zu: Sagen wir, es ist ihm einfach nur passiert, dass er die Schuhe ausgezogen hat. Auch das wäre schon vielsagend: Wer vergisst sich an einem Ort, der mit einer solchen Bedeutung versehen ist, so sehr, dass er so etwas tut? Welcher Kirchgänger hat das während einer Messe in einem Dom schon einmal getan, welcher Opernfreund während einer Carmen-Aufführung, um sich dann auch noch so außerhalb der Sitzreihen zu zeigen? Wenn man so sehr darauf vergisst, wo man ist, heißt das auch, dass man dem Ort keine besondere Bedeutung beimisst.

Es passt zum Stellenwert, der dem Parlament gegeben wird.

Das Parlament ist dann nicht mehr weit entfernt von einem Patschenkino. Oder ist das übertrieben? Sagen wir so: Es ist zumindest befremdlich, wenn ein Minister so im Hohen Haus auftritt. Und daneben passt es halt auch zu etwas Wesentlicherem: Zum Stellenwert, den das Parlament für die Neue Volkspartei hat. Nicht, dass zum Beispiel die Sozialdemokratie unter Werner Faymann eine große Verfechterin davon gewesen wäre. Auf die Idee, eine Mitstreiterin nur für ein paar Wochen als Nationalratspräsidentin zu parken, wie Sebastian Kurz das mit Elisabeth Köstinger gemacht hat, ist sie aber nie gekommen. Oder die eigenen Abgeordneten so weit zu kontrollieren, dass von keinem einzigen eine eigene Meinung überliefert ist. Gut, Werner Amon ist die Ausnahme. Er aber lässt sich gerade in die Volksanwaltschaft wegloben.

Kickls Uniform soll das subjektive Sicherheitsempfinden schwächen.

Noch viel stärker Politik durch seine Kleidung macht Innenminister Herbert Kickl (ÖVP). Und zwar mit einer eigenartigen Uniform, mit der er beim Ministerrat auftrat. Das ist eine Militarisierung durch und durch: Es ist aus demselben Guss wie die berittene Polizei, das Gerede von einer Festung Europa oder dem EU-Wahlkampfslogan, wonach man Österreich schützen müsse. Wie dieser Satz vermittelt die Uniform, dass es eine Gefahr gebe. Das soll das subjektive Sicherheitsempfinden schwächen und außerordentliche Maßnahmen rechtfertigen. Beziehungsweise einen Ausnahmezustand, in dem laut Kickl Recht der Politik zu folgen hat und im Fall des Falles nicht er, sondern sogar eine Institution wie der Europäische Gerichtshof auf dem Holzweg ist. Ja, es ist beinahe untergegangen, dass er am Ministerratstag nicht nur Uniform trug, sondern in Bezug auf ein Asylurteil des EuGH befand, dass dieser auf dem falschen Pfad unterwegs sei: Wäre nicht mehr weiter verwunderlich, er würde höchstgerichtliche Erkenntnisse ab sofort nicht einmal mehr ignorieren.

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