ANALYSE. Der Rechnungshof erhöht den Druck für gläserne Parteikassen: Mehr als zwei Jahre nach Ibiza ist Türkis-Grün noch immer säumig. Signal: An Transparenz besteht nicht das geringste Interesse.
Vor wenigen Tagen hat dieSubstanz.at wieder einmal daran erinnert: Für das Wahljahr 2019 liegen nach wie vor keine Rechenschaftsberichte für die Groß- und Mittelparteien ÖVP, SPÖ und FPÖ vor. Bei Sozialdemokraten und Freiheitlichen soll es nach Auskunft des Rechnungshofes, der die Veröffentlichung auf seiner Website durchführt, bald so weit sein. Bei den Türkisen wird es laut Präsidentin Margit Kraker noch dauern. Es gibt Fragen zu klären.
Das ist insofern bemerkenswert, als Sebastian Kurz schon 2017 mit einem unmissverständlichen Transparenzversprechen für den gesamten Staat angetreten ist; als seine Partei damals beteuerte, die Wahlkampfkostenbeschränkung einzuhalten, hinterher jedoch eingestehen musste, sie deutlich überschritten zu haben; als sich die Partei gerade eine gerichtliche Auseinandersetzung mit dem „Falter“ über die Frage leistete, ob eine Überschreitung auch 2019 beabsichtigt war (was die Partei verneinte, wofür sie aber eben noch keinen Rechenschaftsbericht vorlegen konnte); und als durch das Ibiza-Video vor mehr als zwei Jahren deutlich geworden ist, dass es Handlungsbedarf in Bezug auf Umgehungsmöglichkeiten bei der Parteienfinanzierung (bzw. Veröffentlichungspflichten) gibt.
Ibiza ist bisher jedoch ohne nennenswerte Folgen geblieben. Auch Sozialdemokraten begnügten sich gerade einmal damit, bei Großspenden einen Riegel vorzuschieben. Das hat eher nur Türkise und Pinke getroffen. Rote nicht. Sonstige Änderungen? Fehlanzeige. Schlimmer ist, was „Falter“-Chefredakteur Florian Klenk diese Woche in einem Newsletter zu Ibiza-Konsequenzen schreib. Anlass: Jenem Mann, der das Video machte, also Ex-FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache in die Falle lockte und zu bemerkenswerten Aussagen verleitete, wird am Landesgericht St. Pölten der Prozess gemacht.
In diesem Zusammenhang berichtet Klenk, wie sehr es dem Innenministerium nach Veröffentlichung des Videos darum ging, den Machern des Videos auf die Spur zu kommen und nicht, den von Strache angedeuteten Machenschaften nachzugehen. Für ersteres wurden 17 Leute abgestellt, für das (demokratiepolitisch) viel wichtigere drei.
Dem Rechnungshof reicht’s nun. Präsidentin Margit Kraker kündigte in der ZIB2 an, einen Gesetzesentwurf zu den Parteifinanzen vorzulegen: „Ich will einen Entwurf machen, der natürlich nur eine Diskussionsgrundlage für die Parteien sein kann, aber das soll die Debatte wiederbeleben.“ Ihr Haus hat folgendes Problem: Vor Veröffentlichung darf es sich vorgelegte Zahlenwerke anschauen, um es vereinfacht auszudrücken; es hat jedoch keine Möglichkeit, eine Prüfung vornehmen und etwa Einblick in die „Bücher“ zu nehmen. Insofern handelt es sich auch für die Allgemeinheit um Transparenz, die mit Vorsicht zu genießen ist: Man weiß nie, ob stimmt, was man zu sehen bekommt.
Parteien leben zu einem guten Teil von Steuergeld (Förderungen). 2017 erklärte Sebastian Kurz in einem „Kurier“-Interview folgendes dazu: „Ich habe in den letzten Jahren für ein Transparenzgesetz gekämpft, es war aber im Parlament nicht möglich, das zu beschließen. Aber ich bin Gott sei Dank jung genug, dranzubleiben, und ich bin mir sicher, es wird uns gelingen. Ich möchte auch, dass das Amtsgeheimnis der Vergangenheit angehört, dass wir einen Staat schaffen, der transparent agiert. Und wenn Steuergeld ausgegeben wird, hat die Bevölkerung ein Recht darauf, das zu wissen.“
Heute ist der Kanzler auch erst 35, es ist jedoch nichts Greifbares weitergegangen – weder bei Parteien- noch bei darüberhinausgehender Transparenz. Im Gegenteil: Vorliegende Pläne zu sogenannter Informationsfreiheit würden ohnehin schon so viele Einschränkungen vorsehen, dass fraglich ist, ob sich etwas ändert. Selbst das aber geht insbesondere Gemeinden schon zu weit: Sie beklagen, dass Informationsbegehren durch Bürgerinnen und Bürger zu einem unvertretbaren Verwaltungsaufwand führen würden. Bei der zuständigen Verfassungsministerin Karoline Edtstadler sind sie damit auf offene Ohren gestoßen. Also ruht die Sache vorerst.
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