Anschober darf ausputzen

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ANALYSE. Der Gesundheitsminister wehrt sich tapfer dagegen, in der Coronakrise zum nützlichen Idioten gemacht zu werden.

Im Interview mit den Bundesländerzeitungen hat Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) gerade zwei bemerkenswerte Aussagen gemacht: Zum einen, die Zusammenarbeit mit der ÖVP funktioniere sehr gut, „es gibt echtes Teamwork“. Zum anderen gestand er, Fehler gemacht zu haben. „Einer war sicher der sogenannte Ostererlass.“

Okay, beides mag zunächst selbstverständlich klingen. Ist es aber nicht. Zumindest auf türkiser Seite ist die Kultur, Fehler einzugestehen, nicht sonderlich ausgeprägt. Nach den Vorfällen im Kleinen Walsertal machte Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) Bürger und Journalisten dafür verantwortlich, dass in der nicht angemeldeten Versammlung zu seinen Ehren unter anderem Abstandsregeln ignoriert worden waren. Und wenn Unternehmen nicht und nicht zu Hilfszahlungen kommen, dann soll das eher nur daran liegen, dass sie etwas falsch gemacht haben. Nicht der Staat.

Vor allem aber lässt Anschober mit seiner Teamwork-Aussage erkennen, dass er die Absicht hat, über den Dingen zu bleiben und sich nicht provozieren zu lassen. Versuche gibt es viele. Nachdem es Kritik an der rechtlichen Qualität von Corona-Gesetzen, -Verordnungen und -Erlässen gegeben hatte, setzte Kanzleramtsministerin Karoline Edtstadler eine Aussendung ab. Zitat: „Wenn Bundesminister Rudolf Anschober der Meinung ist, dass die Verordnungen und Erlässe aus seinem Ressort nicht gesetzes- und verfassungskonform sind, erwarte ich mir, dass er die Sache in die eine oder andere Richtung rasch klärt und die Bevölkerung nicht lange in Unsicherheit lässt.“

Das ist im Grunde genommen unglaublich: Edtstadler stellte das nicht nur als Kanzleramtsministerin im Allgemeinen fest; sondern im Besonderen auch als diejenige, die für den Verfassungsdienst zuständig ist. Sprich: Es wäre ihr Job, sich auf der gesamten Regierungsebene um Ordnung im Recht zu kümmern. Und überhaupt. Stichwort „Fake Law“: Kurz, aber auch Innenminister Karl Nehammer und andere Regierungsmitglieder müssen sich vorwerfen lassen, strenge Vorschriften kommuniziert zu haben, die von den Behörden in weiterer Folge umgesetzt worden sind, in Wirklichkeit aber nie existiert haben.

Aber Anschober ist der Dumme. Ende? Woher: Der Gesundheitsminister hat grundsätzlich einen sehr schwierigen Job. Zumal das Spitalswesen Ländersache ist, ist seine Macht eingeschränkt. Ja, es ist wohl auch vor diesem Hintergrund schwer bis unmöglich für ihn, auch nur vernünftige Daten über die stationäre Behandlung von Coronapatienten zu bekommen. Die Länder lassen sich nicht gerne in die Karten schauen. Auch wenn die Öffentlichkeit einen Anspruch darauf hätte – und es zur Bekämpfung der Pandemie nicht unwesentlich wäre.

Wenn’s ernst wird, wie gerade in Oberösterreich, wird aber ausschließlich das umgesetzt, was das Gesundheitsministerium vorgibt, wie Landeshauptmann Thomas Stelzer (ÖVP) in Bezug auf Testungen erklärte. Was einer gefährlichen Drohung gleichkommt: Läuft irgendetwas schief, ist klar, wer schuld ist.

Bemerkenswert auch, dass Anschober nicht ausgezuckt ist, als Innenminister Karl Nehammer im Mai sachorientiertes Krisenmanagement endgültig über Bord warf und sich in den Wiener Gemeinderatswahlkampf stürzte. Sie erinnern sich: Nehammer warnte vor einem „pandemischen Tsunami“ in der Bundeshauptstadt, warf Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) vor, die Kontrolle verloren zu haben und meinte, sich als „Wellenbrecher“ anbieten zu müssen. Das muss man sich einmal vorstellen: Bei den aktuellen, höheren Infektionszahlen aus Oberösterreich schweigt Nehammer. Aber klar, das Land ist schwarz-türkis und nicht rot.

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