Ad. Schellhorn

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ANALYSE. Für den Boulevard ist die schwarz-rot-pinke Regierung ein Unglück. Umso mehr arbeitet er sich am Staatssekretär ab.

Für den Medienbetrieb im Allgemeinen sind „Klicks“ relevant, für den Boulevard, der stärker von Reichweiten und Werbeerlösen abhängig ist, sind sie von existenzieller Bedeutung. Das ist unter anderem eine Erklärung dafür, dass gewisse Herrschaften (um Frauen handelt es sich dabei selten) gehypt werden: Heinz-Christian Strache, Sebastian Kurz und Herbert Kickl beispielsweise. Allein ihre Erwähnung brachte oder bringt „Klicks“: Sie polarisieren und provozieren. In der Regel sogar gezielt, wissen sie doch auch, wie der Medienbetrieb funktioniert. Meist sind sie ebenfalls (quasi) Medienmacher und teilen das Ziel, möglichst viele Menschen zu erreichen.

Der damalige Chefredakteur von „krone.at“, Richard Schmitt, hat zur Zeit von Strache, der über 400.000 „Facebook“-Fans hatte, vor bald zehn Jahren aus der Schule geplaudert, wie man sich gegenseitig pusht: „Wenn Strache einen normalen Bericht von uns auf Facebook teilt, dann merken wir, das haut die Quote auf das 1,5-Fache hoch. Und umgekehrt kriegt er natürlich auch mehr Traffic, wenn wir ihn pushen.“

Das alles gehört vorausgeschickt, um nachvollziehen zu können, warum die schwarz-rot-pinke Regierung für den Boulevard ein Unglück ist. Das nachvollziehen zu können ist wichtig, weil es demokratiepolitisch ein Wahnsinn ist: Im Vergleich zu Strache und Kurz bringen Christian Stocker und Andreas Babler keine „Klicks“. Ja, es gibt nicht einmal mehr eine Ministerin wie Leonore Gewessler, die als solche mit Klimafragen aufregte und deren Erwähnt daher auch „Klicks“ brachte. Der Einzige, der weiterhin „Klicks“ bringt, ist Kickl.

Das spricht nicht gegen Stocker und Babler. Es ist Teil der Logik: Es geht um Emotionen, Regungen, Kränkungen und Provokationen. Um Persönlichkeiten, die auf einer Ebene wirken, auf der sie auch Menschen erreichen, die mit Politik nichts am Hut haben. Sachgeschichten sind uninteressant. Ruhe ist eine Katastrophe. Ja, es ist noch übler: Bei Kickl kommt dazu, dass er wirkt, weil er Verachtung für Politik(er) zum Ausdruck bringt. Das bringt „Klicks“ ohne Ende.

Das Ganze erklärt, warum sich der Boulevard gerade so an Staatssekretär Sepp Schellhorn (Neos) abarbeitet: Wenn man schon mit keinem Minister „Kickls“ zusammenbringen kann, dann – wie hier auch schon ausgeführt – gemeinsam mit Kickls Leuten gegen diesen. In der eigenen Leserschaft (eher nicht Unternehmer, Besserverdiener etc.) gibt es wohl weniger Neos-Anhänger. Dürften Neos, die mehr für Selbstständigkeit stehen, die Neutralität in Frage stellen und das Pensionsalter erhöhen wollen, einen schlechteren Stand haben. Umso „besser“, wenn dann einer wie Schellhorn daherkommt, der grundsätzlich aneckt, weil er nicht sagt, was gehört werden will, sondern was er sich denkt; dann kommt eben einer wie er daher und besteht nicht auf einem Audi A6 als Dienstwagen, sondern nimmt einen A8. Skandal!

Da ist alles drin, was dieser Boulevard für eine Geschichte braucht, die einfach nur fliegen soll. Es ist ein Fest für ihn, der gerne immer auch zuspitzt. Ergebnis „Google News“-Suchanfrage für „heute.at“ und „Schellhorn“ beispielsweise: Vor 3 Stunden: „Totalschaden der Regierung: FPÖ tobt gegen Schellhorn“. Vor sechs Stunden: „1.000 Euro abgezogen – Schon wieder! Schellhorn sagt Unwahrheit …“ Vor 7 Stunden: „Größe eher wurscht – Bin kein Luxusboy – Audi-Schellhorn hat die Nase voll“.

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