ANALYSE. In der Causa Kurz wird nicht nur mit harten Bandagen gekämpft. Auch immer mehr Ämter und Funktionen werden in Mitleidenschaft gezogen.
Man könnte es sich einfach machen und erklären, bei Meldungen wie jener, dass es einen weiteren Hinweis darauf gebe, dass Altkanzler Sebastian Kurz (ÖVP) wesentlich mehr Einfluss auf Postenbesetzungen gehabt habe, als er es vor dem Ibiza-U-Ausschuss vermittelt hat, sei es logisch, dass die Nerven flattern. Hier geht es jedoch nicht nur darum, dass mit harten Bandagen gekämpft wird, sondern zunehmend auch um staatsbeschädigende Dimensionen.
Wenn unter dem Logo der Universität Wien ein Gutachten veröffentlicht wird, das Sebastian Kurz entlastet, ist das aufs Erste ebenso beeindruckend wie die scharfe Kritik der Rechtsschutzbeauftragten der Justiz, Gabriele Aicher, am Vorgehen der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA). Grund: Im ersten Fall schwingt Wissenschaftlichkeit mit. Also Nachvollziehbarkeit ebenso wie Glaubwürdigkeit. Im zweiten Fall tut es das ebenfalls, kommt jedoch mehr dazu: Die Rechtsschutzbeauftragte hat eine besondere Stellung, sie ist unabhängig, an keine Weisungen gebunden und nicht absetzbar; sie prüft und kontrolliert heikle Ermittlungsschritte. Meldet sie sich öffentlich und noch dazu vernichtend zu ebensolchen zu Wort, dann muss man das ernst nehmen.
Genauer: Dann sollte man das ernst nehmen können. Es liegen jedoch Formen des Missbrauchs vor: Beim Gutachten ist der Logo der Uni Wien „natürlich unberechtigt“ verwendet worden, wie Rektor Heinz Engl gegenüber dem „Standard“ erklärte. Sprich: Zu Unrecht wollte man hier etwas im Sinne von Sebastian Kurz erscheinen lassen. In Wirklichkeit handelt es sich nur um eine Interpretation gewisser Vorgänge (wie etwa Inseratenkorruption) im Sinne des Altkanzlers durch einen Juristen, der ihm wohlgesonnen ist.
Die Rechtsschutzbeauftragte Aicher hat ihre Funktion missbraucht. Nämlich insofern, als sie ihre Kritik an der WKStA im Oktober unter Einbindung einer Kanlei erstellt hatte, die etwa für den ebenfalls belasteten Kurz-Vertrauten Gerald Fleischmann tätig ist. Selbst wenn dort, sagen wir, nur der Schriftgrad des Textes geändert worden ist, würde das zu weit gehen. Aicher hätte schon damit einen Anschein entstehen lassen, der sie in ihrer Glaubwürdigkeit untergräbt, aber allem aber auch ihr Amt ramponiert.
Zu den ursprünglichen Affären, die Gegenstand staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen sind, und die Sebastian Kurz gezwungen haben, als Kanzler zur Seite zu treten und die Fäden als Parteichef und Klubobmann aus einem demokratiepolitisch zweifelhaften Dunkel heraus zu ziehen, kommen hier mehr und mehr neue. Wobei es weiterhin darum geht, Macht für eigene Zwecke zu missbrauchen.
Koste es, was es wolle: Die (Vertrauens-)Werte von ÖVP und Kurz sind bereits im Keller. Und könnten nach Einschätzung der „Krone“ noch weiter abstürzen. Parallel dazu werden aber auch Ämter und Funktionen, wie die des Kanzlers, der Uni Wien oder der Rechtsschutzbeauftragten, in Mitleidenschaft gezogen.
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