ANALYSE. Bei der Landtagswahl im Jänner ist der burgenländische Landeshauptmann nicht mit irgendeinem Herausforderer konfrontiert, sondern mit Norbert Hofer. Die Absolute ist damit Geschichte.
Im Burgenland läuft etwas ganz Grundsätzliches falsch. Darauf lassen Nationalratswahlergebnisse seit 1999 schließen: In keinem anderen Bundesland liegt die FPÖ heute so weit über ihrem damaligen Spitzenergebnis. War sie unter Jörg Haider auf 21 Prozent gekommen, so erreichte sie heuer unter Führung von Herbert Kickl ganze 28,8 Prozent. Zum Vergleich: Insgesamt liegt sie nicht um rund sieben, sondern um zwei Prozentpunkte über Haider’schem Niveau.
Gleichzeitig fällt vor allem auf, dass die SPÖ im Burgenland bei Nationalratswahlen seit 2006 verliert und verliert. Dass der Niedergang also nicht nur mit einer Person wie Andreas Babler zu tun haben kann, wie Landeshauptmann Hans Peter Doskozil vielleicht glauben machen möchte. In all den Jahren wurde die österreichische Sozialdemokratie von Persönlichkeiten mit unterschiedlichen Stärken, Schwächen und vor allem Ausrichtungen geführt: Alfred Gusenbauer, Werner Faymann, Christian Kern und Pamela Rendi-Wagner. Jetzt steht eben Babler an der Spitze – und das Ergebnis bleibt voll im Trend (siehe Grafik).
Geht man davon aus, dass FPÖ-Erfolge mit grundsätzlichen Problemen zusammenhängen, ist das alarmierend für Doskozil und Genossen. Damit gemeint ist etwa, dass sehr viele Menschen schlechte Entwicklungen wahrnehmen oder befürchten. Sei es im Allgemeinen oder konkret in ihrer Umgebung, ob in ihrer Region oder in ihrer Gemeinde (Stichwort Wirtshaussterben) oder auch, was ihren persönlichen Lebensstandard betrifft. Wäre alles gut, müsste sich die FPÖ mit zehn, 15 Prozent begnügen. Sie würde nie an 30 Prozent herabkommen.
Auf Landesebene mögen der SPÖ im Burgenland sehr viele andere Wahlergebnisse gelungen sein. Im Jänner 2000 holte ihr Hans Peter Doskozil gar die absolute Mandatsmehrheit. Es schien, als habe sich sein „klarer Kurs“ insbesondere in Bezug auf Asyl und Migration bezahlt gemacht. Das ist sehr wahrscheinlich jedoch stark übertrieben. Wesentlich ist daneben, dass die Freiheitlichen gerade im Keller waren und Türkise im Land zu schwach aufgestellt waren, um groß vom Sebastian Kurz-Hype zu profieren.
Bei der Landtagswahl im Jänner 2025 droht der SPÖ mit Doskozil nun jedenfalls ein deutlicher Verlust. Und zwar aus fünf Gründen.
Erstens, die landespolitische Szene abseits der SPÖ besteht nicht mehr aus Akteuren, die aus Sicht von Doskozil harmlos sind. Im Gegenteil, Spitzenkandidat der FPÖ wird Norbert Hofer. Jener Hofer, der bei der Bundespräsidenten-Sichtwahl 2016 im Burgenland eine klare Mehrheit und im Süden sogar zwei Drittel der Stimmen geholt hat.
Zweitens, 2020 hat Doskozil fast ausschließlich ein Stück weit von der FPÖ-Krise profitiert. Seine Partei hat um rund 14.000 Stimmen zugelegt. 9000 kamen von den Freiheitlichen, 3000 von der Liste LBL, einer Gründung ehemaliger Freiheitlicher, 2000 aus dem Nichtwählerlager. Das wars. Wählerströme mit der ÖVP etwa? Netto null. Hofer hat nun gute Chancen, das zumindest wieder umzudrehen.
Drittens, 2020 wurde vor Corona und all den übrigen Krisen gewählt. Das war Glück für Doskozil. Bei den meisten Wahlen, die seit Corona geschlagen werden, setzt es schwere Stimmenverluste für Regierende. Ein Faktor dabei ist eben Corona. Im Burgenland mag der Anteil der Impfgegner oder -skeptiker klein sein, die nicht vergessen können oder wollen, was damals lief. Ein erheblicher Teil von ihnen ist jedoch zur FPÖ gewechselt. Das ist zu einer Faustregel geworden. Ob bei Nationalrats- oder bei Landtagswahlen.
Viertens, der „klare Kurs“ in der Asyl- und Migrationspolitik wird Doskozil nicht (mehr) viel bringen. Aus der Sache mit Corona geht bereits hervor, dass es ein Irrtum ist, zu glauben, dass die FPÖ nur wegen Asyl- und Migration abräume. Man muss den Kontext sehen, in dem sie es tut: Christoph Hofinger hat in einem „Standard“-Chat darauf hingewiesen, dass vor allem ihre Erzählung greife, dass es allen anderen an Empathie gegenüber den Leuten mangle. Und: In einer Zeit der Teuerung, in der viele das Gefühl haben, finanziell zu verlieren, kann man nicht wenige davon erst recht damit ansprechen, dass „aber“ Asylwerbern mehr gegeben werde als ihnen; dass das Sozialsystem wegen der Zuwanderung zusammenzubrechen drohe. Das ist eine einfache Geschichte mit einem vermeintlichen Schuldigen, an dem man glauben, sich abarbeiten zu können.
Das leitet (fünftens) vielleicht zur Ohnmacht der Sozialdemokratie insgesamt über, hier eine wirkungsvolle Antwort zu finden.