BERICHT. Die freiheitlichen Anfangsjahre sind kaum erforscht. Doch die Historikerkommission findet nicht nichts vor – es gibt da unter anderem eine bemerkenswerte Diplomarbeit.
Die Historikerkommission, die die FPÖ zur Aufarbeitung ihrer Geschichte eingesetzt hat, stößt auf Vorgehalte. Sie kann diese widerlegen. Oder auch nicht. Also wäre die Partei von Vizekanzler Heinz-Christian Strache wohl gut beraten, in die Offensive zu gehen und ihre Archive vollständig zu öffnen. Zumindest unbefangenen Historikern gegenüber. Magrit Reiter von der Uni Wien schreibt gerade ein Buch über die Geschichte der Freiheitlichen. Was die Recherchen erschwere: An Material heranzukommen, sei gar nicht einfach; so gebe es in Salzburg zwar ein Archiv der Vorgängerorganisation VdU, dieses jedoch sei ihr nicht zugänglich gemacht worden, berichtet sie.
Auffallend ist überhaupt: Breite Auseinandersetzung mit der FPÖ-Geschichte hat es bisher keine gegeben. Die Literatur ist spärlich und stammt zu einem guten Teil von Leuten wie Lothar Höbelt, der mit der Partei so eng vernetzt ist, dass er kaum eine distanzierte Darstellung liefern kann.
„Die FPÖ fungierte als Sammelstelle und politisches Wiederbetätigungsfeld ehemaliger Nationalsozialisten.“ (Joachim Neurieser)
Was es gibt, ist unter anderem eine bemerkenswerte Diplomarbeit: Der gebürtige Steirer Joachim Neurieser hat sie vor zehn Jahren an der Uni Wien geschrieben. Titel: „Zwischen Liberalismus und Nationalismus. Programmatische Transformationsprozesse in der Geschichte des dritten Lagers in Österreich nach 1945“. Die Arbeit ist online verfügbar.
Die FPÖ ist Mitte der 1950er nicht aus dem Nichts entstanden. Sondern aus dem „Verband der Unabhängigen“ (VdU). Bemerkenswert ist jedoch, dass laut Neurieser erst mir ihrer Gründung „der Schritt hin zu einer vorwiegend nationalistisch-konservativen Partei vollzogen (war), die in erster Linie als Sammelstelle und politisches Wiederbetätigungsfeld ehemaliger Nationalsozialisten fungierte“.
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Erster Parteichef war Anton Rheintaller, Ex-Unterstaatssekretär in Adolf Hitlers Reichsministerium für Ernährung und Landwirtschaft. Zweiter Chef war Friedrich Peter, Ex-SS-Obersturmführer.
In der Diplomarbeit zum Ausdruck kommt vor allem auch der extreme Deutschnationalismus, der die FPÖ zumindest in den Anfangsjahren kennzeichnete. In den „Richtlinien Freiheitlicher Politik“ hieß es 1958: „Die vornehmste dieser (neuen) Aufgaben ist die Abwehr aller Bestrebungen, die auf eine Loslösung Österreichs vom Deutschtum gerichtet sind. Wir haben in den deutschen Österreichern das Bewußtsein wachzuhalten, ein Teil des deutschen Volkes mit allen sich aus dieser Zugehörigkeit ergebenden Rechten und Pflichten zu sein.“
„Die freiheitliche Fraktion kann sich […] nicht zu einem österreichischen Nationalfeiertag bekennen.“ (Friedrich Peter)
In den 1960ern stimmte die freiheitliche Parlamentsfraktion denn auch gegen die Einführung des Nationalfeiertags: „Österreich wurde nach wie vor als deutscher Staat bezeichnet und die Existenz einer eigenständigen österreichischen Nation als bloße Erfindung einer „kleinen linksgedrallten Minderheit“ abgetan, „die in geschichtswidriger Weise und entgegen den Erkenntnissen der Wissenschaft eine österreichische Nation konstruieren will““, schreibt Neurieser: „In gleicher Weise äußerte sich auch Parteiobmann Peter, der für seine Partei unmissverständlich feststellte: „Die freiheitliche Fraktion kann sich […] nicht zu einem österreichischen Nationalfeiertag bekennen, der nichts anderes als eine Abkehr von der historischen Wahrheit darstellt. Aus diesem Grund sagt die freiheitliche Fraktion zum österreichischen Nationalfeiertag nein.““
Ähnlich geäußert hätten sich auch Abgeordnete, wie Otto Scrinzi, 1986 Bundespräsidentschaftskandidat der Partei und im Dritten Reich u.a. SA-Sturmführer, berichtet Neurieser: Sie hätten von der „neu erfundenen und konstruierten österreichischen Nation“ gesprochen, die „von den Chemikern und Manipulanten dieses Regierungssystems in der Retorte erzeugt worden ist.“ Neurieser: „Das drastische Wort von der „ideologischen Missgeburt“ des späteren Parteivorsitzenden Jörg Haider steht damit fest in der Tradition der freiheitlichen Auffassung von der Ablehnung einer eigenständigen österreichischen Nation, wie sie für die Parteien des dritten Lagers nach 1945 zum festen programmatischen Bestandteil gehört.“
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