Wird Van der Bellen aufgerieben?

ANALYSE. Der gewählte Bundespräsident wird von vielen Seiten unter Druck geraten, nicht nur von freiheitlicher. 

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ANALYSE. Der gewählte Bundespräsident wird von vielen Seiten unter Druck geraten, nicht nur von freiheitlicher.

Gut ein Jahr hat die Kür des neunten Bundespräsidenten der Zweiten Republik gedauert, jetzt ist sie endlich abgeschlossen: Der Nationalrat tritt am Donnerstag zu einer gemeinsamen Sitzung mit der Länderkammer zusammen, um Alexander Van der Bellen anzugeloben. Auf eine gemütliche Zeit in der Hofburg kann sich der 73-Jährige nicht einrichten – er muss vielmehr aufpassen, nicht aufgerieben zu werden.

Die Herausforderungen, vor denen Van der Bellen steht, sind groß. Die erste ist da noch vergleichsweise bescheiden; wiewohl sie brisant ist: Wie wird er, der Gegnern des Freihandelsabkommens CETA Hoffnungen gemacht hat, mit dem Volksbegehren dagegen umgehen? Im Wahlkampf hatte er zunächst erklärt, dass er das Abkommen „sorgsam prüfen“ würde, dann aber einen verhängnisvollen Satz formuliert: „Wäre ich jetzt bereits Bundespräsident und wäre CETA heute auf meinem Schreibtisch, würde ich das Abkommen nicht unterzeichnen.“ Damit hat er sich im Grunde genommen einbetoniert.

CETA-Kritiker wären wohl erfreut, wenn er das Abkommen verhindern würde. Dass er den Spielraum nützt, sich in dieser Frage über eine Parlamentsmehrheit hinwegzusetzen, würde jedenfalls aber auch eine neue Debatte über die Möglichkeiten des Bundespräsidenten auslösen.

Und diese Auseinandersetzung ist ohnehin schon angelaufen. Bundeskanzler und SPÖ-Chef Christian Kern hat mit seinem „Plan A“ den brisantesten Beitrag dazu geliefert. Demnach sollte ein Mehrheitswahlrecht eingeführt werden, dass das Staatsoberhaupt seiner wichtigsten Funktion berauben würde; der Mitwirkung bei Regierungsbildungen nämlich. Anders ausgedrückt: Zur Erleichterung von Regierungsbildungen würde Kern das System so umbauen, dass sich das Staatsoberhaupt erübrigt. Dafür mag es gute Gründe geben; es ist aber auch eine Kampfansage.

Regierungsbildungen werden so oder so ein heikles Kapitel für Van der Bellen.

Regierungsbildungen werden so oder so ein heikles Kapitel für Van der Bellen: Auch er muss aus heutiger Sicht damit rechnen, dass die Freiheitlichen unter Heinz-Christian Strache bei der nächsten Nationalratswahl auf Platz 1 kommen. Und dass die ÖVP zu einer blau-schwarzen Koalition bereit wäre. Van der Bellen würde das nicht gefallen. Das Problem für ihn ist jedoch dies: Er kann die Bildung einer solchen Regierung durch Sondierungsgespräche verzögern und sie vielleicht mit diversen Auflagen belegen. Verhindern aber kann er sie nicht, wenn sie über eine Mehrheit auf parlamentarischer Ebene verfügt.

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