Wie sich die Grünen selbst gefährden

ANALYSE. Mit Klimaschutz ist keine Wahl zu gewinnen. Das kann man bedauern, ist aber so. Ganz besonders, wenn sich alles um Kurz dreht und die meisten Mitbewerber darauf reagieren. 

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ANALYSE. Mit Klimaschutz ist keine Wahl zu gewinnen. Das kann man bedauern, ist aber so. Ganz besonders, wenn sich alles um Kurz dreht und die meisten Mitbewerber darauf reagieren.

Ab 2030 sollen ausschließlich emmissionsfreie Autos zugelassen werden. Das sagen nicht nur die Grünen. Verkehrsminister Jörg Leichtfried, ein Sozialdemokrat, hat damit gerade Schlagzeilen gemacht. Und zumindest in Großbritannien gehen auch die Konservativen in diese Richtung; die dortige Regierung will, dass ab 2040 keine Verbrennungsmotoren mehr verkauft werden.

Man sieht auf den ersten Blick: Den Grünen wird da ein ganz wichtiges Thema streitig gemacht. Sicher, sie könnten zurecht darauf hinweisen, wie sich Leichtfried und andere Nicht-Grüne ansonsten zu Klimaschutzfragen verhalten; sehr zurückhaltend nämlich. Mit einer Abschaffung des steuerlichen Dieselprivilegs hat er beispielsweise so seine Probleme.

Dennoch: Solche Hinweise von grüner Seite bringen nichts. Es wäre ziemlich genau so wirkungslos wie die Klage der Freiheitlichen, dass es eigentlich sie seien, die schon immer für rigorose Grenzkontrollen und gegen illegale Zuwanderung gewesen seien – „und nicht Sebastian Kurz!“. Dafür gibt es allenfalls einen Schönheitspreis. Aber keine Wählerstimmen.

Dass sich die Grünen vor diesem Hintergrund dazu entschlossen haben, mit einer halblustigen Klimaschutz-Kampagne (auf den Sujets wird mit den Namen „Kern“ und „Kurz“ gespielt) in den Wahlkampf zu ziehen, ist schon allein von da her bemerkenswert: Wenn, dann müssten sie damit Ansagen liefern, die unverkennbar weit über das hinausgehen, was ihre Mitbewerber fordern.

Doch das tun sie nicht. Vielleicht, weil sie bei solchen Versuchen in der Vergangenheit immer wieder Prügel bezogen haben. Etwa, als ihre damalige Parteichefin Eva Glawischnig vor ein paar Jahren die Abschaffung des Pendlerpauschale (bzw. Umwandlung in ein Mobilitätsgeld, das zumindest nicht Spitzenverdienen zugutekommen sollte) verlangt hat. Ihre Antwort auf die Kritik war nicht etwa geprägt von Genugtuung darüber, dass ablehnende Reaktionen wenigstens zu ihrer Profilbildung beitragen, sondern von einem Nachgeben hin zu einer Öko-Wohlfühlpolitik. Ein Ergebnis: Die nunmehrige Forderung, ein Österreich-Ticket für Öffis um 1095 Euro einzuführen. Das ist gut, aber kein Hammer.

All das könnte die Grünen der vier Prozent-Hürde näher bringen als der Zweistelligkeit.

Gerade in diesem Wahlkampf wäre eine gewisse Schärfe für die Grünen überlebenswichtig: Nicht nur, dass sie es neben einer Kanzlerentscheidung ohnehin schon schwer haben. Auch, dass sie beim alles überlagernden Thema „Flüchtlingspolitik“ de facto abgemeldet sind. Und auch, dass ihnen Peter Pilz mit seiner Liste ganz schön zusetzt. All das könnte sie der vier Prozent-Hürde näher bringen als der Zweistelligkeit. 

Mit Ausnahme von Kurz haben alle ihre Probleme. Im Unterschied zu den Grünen sind die meisten Mitbewerber jedoch dabei, darauf zu reagieren: SPÖ-Chef Christian Kern setzt plötzlich mit einer ordentlichen Portion „Klassenkampf“ auf einen linken Kurs. Die Freiheitlichen wollen mehr denn je auf „Österreich zuerst“ setzen, um Kurz so wieder rechts überholen zu können. Die NEOS haben sich prominente Bürgerliche, wie Irmgard Griss, Heinrich Neisser und Ferry Maier geholt, und so schon signalisiert, dass Kurz bei weitem nicht alle in diesen Kreisen auf seiner Seite hat bzw., dass es im ÖVP-Lager nach wie vor einige Leute gibt, die auf sie setzen.

Ja, die meisten Mitbewerber kreisen aus guten Gründen um Kurz. Auch bei den Grünen wäre das naheliegend. Zumal sie in der Vergangenheit zu einem guten Teil von enttäuschten ÖVP-Wählern gelebt haben und diese Zielgruppe, die für sie eben sehr wichtig ist, klein werden könnte, wenn sie sich in den entscheidenden Fragen nicht als Alternative zu Kurz anbieten.

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