Wer fürchtet sich vor Schwarz-Blau?

ANALYSE. Wie zu erwarten war, versucht Kern zuletzt mit einer alten Warnung zu mobilisieren. Sie hat jedoch massiv an Wirkung verloren. 

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ANALYSE. Wie zu erwarten war, versucht Kern zuletzt mit einer alten Warnung zu mobilisieren. Sie hat jedoch massiv an Wirkung verloren.

Ganz zum Schluss brachte Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) in der TV-Debatte mit Grünen-Spitzenkandidatin Ulrike Lunacek am Dienstagabend seine wichtigste Botschaft unter: „Wenn man Schwarz-Blau verhindern will“, ließ er wissen, „dann gibt es nur eine Adresse: Das ist die SPÖ!“ Wobei er zumindest einen guten Grund hatte, das an dieser Stelle zu betonen: Nicht die Grünen sollten gewählt werden, sondern die Sozialdemokraten.

Und daneben muss natürlich noch eine altbekannte Überlegung mitgespielt haben: Die Ablehnung einer Regierung, die von ÖVP- und FPÖ-Politikern (bzw. Sebastian Kurz und Heinz-Christian Strache) geführt wird, sollte noch immer die stärkste Mobilisierungskraft für die SPÖ haben. Voraussetzung dafür, dass sie für die Partei auch am 15. Oktober noch halbwegs wirken kann, ist jedoch, dass eine große Masse der Österreicher Schwarz-Blau wirklich kategorisch ablehnt. Und das ist zu hinterfragen.

Wir schreiben das Jahr 2017. Und da gibt es einige Dinge, die die Sache überlagern und daher abschwächen:

  • Es herrscht eine Grundstimmung, die da sagt: „Weg! Weg mit den Parteien und den Politikern!“ Vor diesem Hintergrund kann man sich erklären, warum laut einer SORA-Studie 43 Prozent einen „starken Mann“ herbeisehnen. Aber auch, warum Sebastian Kurz so erfolgreich ist: Er verspricht, Schluss mit dem Bisherigen zu machen. Das kommt an. Umso mehr, als er schon einmal glaubwürdig seine Partei zu einer Bewegung umfunktioniert hat. Und das reicht auch schon: Er kann im Übrigen zwar von Erneuerung reden, muss aber nicht genauer ausführen, wie er das denn meint. Das ist nebensächlich. Hauptsache Veränderung.
  • Schwarz-Bau gibt es nicht mehr. Wenn, dann müsste von Türkis-Blau geredet werden. Das ist ein kleiner, feiner Unterschied in der öffentlichen Wahrnehmung: Da steckt nämlich vor allem Kurz drinnen. Und das macht die Sache für nicht wenige erträglicher.
  • Wenn man davon ausgeht, dass Sicherheit, Flüchtlinge etc. noch immer bestimmende Themen sind, dann haben zwei Politiker auch schon gewonnen: Sebastian Kurz und Heinz-Christian Strache. Womit wir letztlich auch bei einer türkis-blauen Mehrheit landen könnten, die noch dazu klar ist.

Kern bleibt von seiner Warte aus gesehen trotzdem keine andere Möglichkeit mehr, als nicht nur soziale Fragen zu forcieren, sondern eben auch vor Schwarz-Blau zu warnen. Zumal es ja nicht so sein kann, dass sich mehr als 60 oder 65 Prozent in der Stimmungslage wiederfinden, wie sie in den drei Punkten umschrieben ist. Im Gegenteil: Kurz und Strache polarisieren, sie haben auch Gegner. Womit Kern sogar gut beraten ist, diese anzusprechen. Motto: „Leute, unter diesen Umständen bin genau ich der richtige Mann für euch.“ Die Wirkung einer solchen Ansage aber wäre vor ein paar Jahren sehr wahrscheinlich noch viel größer gewesen.

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