Wer die Pressefreiheit ramponiert

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ANALYSE. Über das Aufkommen von Parteimedien wie nie zuvor und den gezielten Unsinn, dass rechte Positionen unterdrückt werden würden.

80 Jahre Pressefreiheit. Im ORF-Sommergespräch hat Bundeskanzler Christian Stocker (ÖVP) die beträchtliche Höhe der Parteienförderung in Österreich verteidigt: Parteien seien wichtig für die Demokratie, sagte er. Das hat was. Genauso wichtig ist aber ein Gleichgewicht der Kräfte. Insofern ist es alarmierend, dass Stocker bisher kein vergleichbares Bekenntnis zu einer adäquaten Medienförderung abgegeben hat.

Auch Parteien können gewinnen und verlieren, auch Parteien sind mit größeren Dynamiken konfrontiert. Diese sind im Vergleich zu denen, denen Medien ausgesetzt sind, jedoch klein. Stichwort digitale Revolution.

Schlimmer: Zumindest Regierungsparteien sind mitverantwortlich dafür, dass sich Medien da so schwertun. Mit Inseratenmillionen haben sie dazu beigetragen, dass sich zu viel Altes halten konnte, dass zu wenig Transformation stattgefunden hat. Der Zusammenbruch des privaten Werbemarktes tut sein Übriges. Er ist wie ein Todesurteil.

Zweitens: Parteien betrachten sich zunehmend selbst als Medien. Einst mag es Parteizeitungen gegeben haben. Mit dem, was heute läuft, sind sie jedoch nicht vergleichbar. Diese Zeitungen hatten wenigstens eigene Redaktionen, die gerne auch räumlich getrennt tätig waren. Social-Media- und TV-Kanäle werden heute jedoch mit Steuergeld bzw. Mitteln der Parteienförderung direkt finanziert und auch unmittelbar von Parteien selbst betrieben; wie demnächst auch das Fernsehen der SPÖ von Medienminister Andreas Babler. Steuergeld bzw. Mittel der Parteienförderung ermöglichen es ihnen zudem, mit Hilfe von Facebook, Youtube und Co. zu Reichweiten zu kommen, die weitgehend frei finanzierter Journalismus schier nie zusammenbringen kann.

Das ist das eine. Das andere: Parteien und ihre Vertreter sind nicht dumm. Nicht nur, vor allem aber bei Sebastian Kurz (ÖVP) und Herbert Kickl (FPÖ) ist der Zug auffällig (gewesen), sich unter diesen Umständen gleich eher eigenen Kanälen zu bedienen und zumindest lästigen Medien keine Interviews mehr zu geben, sich Kritik also erst gar nicht mehr zu stellen.

Das alles trägt dazu bei, dass sich frei finanzierter Journalismus eher nur noch durch Mäzenatentum und eine erhebliche Zahlungsbereitschaft von Leserinnen und Lesern halten kann. „Immerhin“, könnte man jetzt sagen. Nur: Keine Illusionen! Hier ist die Rede von Minderheiten sowie feinen, jedenfalls aber sehr kleinen Redaktionen.

80 Jahre Pressefreiheit. Die Informationsfreiheit sei ein schönes Zeichen, heißt es. Vielleicht wird etwas daraus, vielleicht auch nicht. Erste Berichte stimmen nicht nur zuversichtlich. Im Gegenteil: Wenn sehr viel veröffentlicht wird, wären umso mehr Journalistinnen und Journalisten notwendig, die sichten und einordnen. Sie fehlen jedoch zunehemend.

Außerdem gibt es bei öffentlichen Stellen eine Tendenz zur Formalisierung in Bezug auf die Behandlung von Anfragen bzw. die Beantwortung erst in maximal möglicher Frist. Informationsfreiheit bringt, so praktiziert, Verschlechterungen. Was umso mehr fehlt, kann hier nur wiederholt werden: Informationsfreiheitsbeauftragte, die dafür sorgen, dass dem Geist des Gesetzes entsprochen wird.

80 Jahre Pressefreiheit. FPÖ-Mediensprecher Christian Hafenecker zeigt sich besorgt. Er behauptet folgendes: „Wer den von den Mächtigen gewünschten Narrativen nicht folgt, sei es beim Ukraine-Krieg, bei der Haltung zur Regenbogen-Ideologie, bei der Masseneinwanderung, bei Corona oder anderen wichtigen Themen, wird sofort als Verbreiter von ‚Fake News‘, ‚Verschwörungstheorien‘ oder ‚Desinformation‘ gebrandmarkt.“ Auch gegen „alternative Medienangebote“ werde daher vorgegangen.

Es entspricht der Behauptung, dass nur gehe, was politisch korrekt, also links sei. Was für ein Unsinn: Wenn man sich zum Beispiel „Krone“ und „Heute“, also große, um nicht zu sagen bestimmende Medien in Österreich anschaut, stellt man fest, dass der größte Linke, Andreas Babler (SPÖ), am schlechtesten wegkommt, weil er ein Linker ist.

Umgekehrt kann sich insbesondere Herbert Kick (FPÖ) hier nicht beklagen. Es läuft ganz nach seinem Geschmack. Wie es auch nicht irgendwoher kommt, dass sich bei bemerkenswert vielen Menschen etwa die Vorstellung hält, dass das Budget ausschließlich wegen Asylmigration aus dem Ruder gelaufen sei: Das entspricht der Darstellung von Kickl und seinesgleichen. Sie kommt genau so an bei diesen Leuten.

Mit alternativen Medienangeboten meint Hafenecker schlicht „Fake News“-Schleudern, die Verschwörungstheorien verbreiten. Freiheit soll insofern heißen, dass alles möglich ist. Auch die größte Lüge. Womit die öffentliche Auseinandersetzung und damit auch Grundlagen der Demokratie letzten Endes zerstört werden würden. Mit Journalismus – im Sinne des Ehrenkodex der österreichischen Presse – haben solche Medien nichts zu tun.

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