Wen Kickl fürchten muss

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ANALYSE. Stimmen kosten könnten die Freiheitlichen bei der kommenden Nationalratswahl am ehesten Listen wie die Bierpartei.

Die Nationalratswahl ist noch lange nicht entschieden. Wobei: Türkise oder Rote, geschweige denn Grüne oder Pinke können den Freiheitlichen von Herbert Kickl nur schwer gefährlich werden. Zu unterschiedlich sind die Gruppen, die sie ansprechen. Zu sehr weichen zumindest zwei von ihnen von dem ab, worum es geht: Ein beträchtlicher Teil der Menschen in Österreich ist enttäuscht von Politik, vertraut nicht einmal mehr dem Nationalratspräsidenten (das war einmal eine Person, die größeres Ansehen genoss). Bei einem erheblichen Teil kommt das Gefühl dazu, Politik zum Gegner zu haben. Stichwort Impfpflicht. Oder Teuerung: Nicht wenige haben Abstiegsängste und meinen, Regierenden vollkommen egal zu sein.

Das nützt vor allem der FPÖ. Zumal es von Herbert Kickl offen angesprochen wird. Es schadet umgekehrt insbesondere einer ÖVP, die Verantwortung trägt und mit einem Ex-Chef in Korruptionsaffären steckt, der mit allen Mitteln versucht, seine Haut zu retten: Das fast täglich mit ansehen zu müssen ist für viele mit ihren Sorgen eine Qual. Es geht ja allein um ihn. Die SPÖ wiederum kann schwer von dieser Stimmungslage profitieren. Stichwort Kleingartenaffäre, bei der es um Vorteile für Funktionäre geht und – laut Ex-Bundespräsident Heinz Fischer – ein Bild abgegeben wird, wonach es „doch Gleiche und noch Gleichere“ gebe.

Im „Superwahljahr“ 2024 geht es nicht so sehr um Konzepte für bessere Lebensverhältnisse, es geht eher darum, wer sich am deutlichsten von wahrgenommener Politik absetzt. Das bringt der FPÖ von Kickl, der gleich verspricht, „das System“ zu zertrümmern, auf Bundesebene hochgeschätzt rund 30 Prozent, zumal sie hier quasi eine Monopolstellung hat. Noch.

Es ist mit Bewegungen zu rechnen, die zwar nicht zerstören, sondern mehr oder weniger gestalten wollen, die aber neu und bisweilen unkonventionell sind – und die vor allem das Potenzial haben, ebenfalls Wählerinnen und Wähler anzusprechen, die frustriert sind.

Dazu zählt die Bierpartei von Dominik Wlazny. Bei der Bundespräsidenten-Wahl 2022 hat er – wie hier näher ausgeführt – vor allem Menschen erreicht, die eine negative Entwicklung Österreichs sehen sowie enttäuscht oder verärgert sind über Politik. Das hat die SORA-Wahltagsbefragung ergeben. Wlazny will es nun offenbar wieder versuchen. Er gilt als links der Mitte stehend und trotzdem kam mehr als ein Zehntel seiner 337.000 Wähler vor eineinhalb Jahren aus dem Lager der Freiheitlichen (43.000). Das ist beachtlich.

Die drei Landtagswahlen des vergangenen Jahres erhärten die These, dass es mit einem entsprechenden Angebot Platz neben der FPÖ gibt; und zwar auf deren Kosten: Erreicht hat die Partei durchwegs gut ein Viertel der Stimmen. Den mit Abstand größten Zuwachs (neuneinhalb Prozentpunkte) erzielte sie in Niederösterreich. Dort war sie ohne Konkurrenz.

Anders war das in Kärnten mit der Liste Köfer und in Salzburg mit der KPÖ von Kay-Michael Dankl. Hier legte die FPÖ auch, aber weniger stark zu. In Salzburg wanderten sogar rund 3000 Ex-Wähler von ihr zu den Kommunisten. Natürlich: Sie hat viel mehr andere gewonnen. Man kann aber annehmen, dass ohne Kommunisten mehr möglich gewesen wäre. Ähnliches gilt für Kärnten, wo die Liste des populären Bürgermeisters Gerhard Köfer erfolgreich war. In beiden Fällen ging es um Persönlichkeiten, die sich – bei allen übrigen Unterschieden – glaubwürdig für Menschen engagieren, die es sich nicht richten können.

Und die – wie den Ergebnissen der Wahltagsbefragungen zu entnehmen ist – weit überdurchschnittlich von Menschen unterstützt wurden, die Politik misstrauen und davon ausgehen, dass sie kein Verständnis für Alltagssorgen hat. Das ist ein Merkmal, das sie mit FPÖ-Wählern teil(t)en. Anders ausgedrückt: Zahlreiche Wähler hatten hier eine Alternative zur FPÖ, das sie auch angenommen haben. Die Liste Köfer kam in Kärnten auf zehn, die KPÖ in Salzburg auf fast zwölf Prozent.

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