ANALYSE. Für den FPÖ-Chef sind die Verhältnisse nicht nur komfortabel: Jeder weitere MFG-Erfolg wäre eine Niederlage für ihn. Das wirkt sich auf seinen Kurs aus – gerade auch im Hinblick auf die Bundespräsidentenwahl.
Die Ausgangslage für die Bundespräsidentenwahl erscheint günstig für FPÖ-Chef Herbert Kickl. Vorerst wahrnehmbar wird es nur einen Gegenkandidaten, eine Gegenkandidatin für Amtsinhaber Alexander Van der Bellen geben: einen freiheitlichen oder eine freiheitliche. Da kann man abräumen. Und das hat aus Kickls Sicht das Zeug dazu, zumindest die Krise zu überwinden, in die seine Partei infolge der Ibiza-Affäre gestürzt ist.
Zwei Dinge müssen dazu angemerkt werden: Sehr viele ÖVP-Wähler haben 2016 nicht Van der Bellen gewählt; zehntausende gaben Norbert Hofer (FPÖ) den Vorzug. Später wurde die Volkspartei unter Sebastian Kurz vor allem mit Wählern stark, die von den Freiheitlichen zu ihr wechselten. 2019, bei der Nationalratswahl wenige Monate nach Veröffentlichung des Ibiza-Videos, handelte es sich um eine Viertelmillion, so das Sozialforschungsinstitut SORA.
Jetzt muss man nur eins und eins zusammenzählen: Bei der Bundespräsidentenwahl im Herbst wird niemand für die ÖVP antreten. Sebastian Kurz ist Geschichte. Sehr, sehr viele ÖVP-Wähler stehen nun ohne Angebot da. Van der Bellen ist keines für sie. Also würde die FPÖ auch dann gewinnen, wenn sie nur einen unbekannten Namen auf den Wahlzettel schreiben lassen würde. Möglich ist aber mehr.
Dieses Potenzial kann Kick weniger denn je egal sein: In der Corona-Pandemie ist die impfgegnerische Liste MFG groß aufgekommen. Sie holte sechs Prozent bei der Landtagswahl in Oberösterreich und 17,1 Prozent bei der Gemeinderatswahl im niederösterreichischen Waidhofen an der Ybbs. Sie hat vor allem auch auf Kosten der FPÖ gepunktet. Das färbt ab auf diese. Kickl kann immer radikal sein, wie er etwa als Innenminister bewiesen hat. Seine Radikalität in der Pandemie, in der er gerne auch Pferdeentwurmungsmittel zur Behandlung einer Erkrankung empfahl oder kein Problem mit gelben Sternen auf Demonstrationen hatte, hängt unter anderem aber genau damit zusammen. Es dient dazu, die MFG nicht noch größer aufkommen zu lassen und am besten wieder zu verdrängen. Wobei Kickl eben vor gar nichts zurückschreckt.
Bei der Bundespräsidentenwahl dürfte MFG mit einer eigenen Person antreten. Im Oktober, wenn eine weitere Infektionswelle ins Land ziehen könnte und auch Beschränkungen wieder eingeführt werden dürften, sollte sie nicht unterschätzt werden. Zumal sie eine große Unbekannte ist und sich Regierung, Parlament und andere politische Institutionen in einer solchen Vertrauenskrise befinden, dass es erhebliches Potenzial für „Anti-Systembewegungen“ gibt.
MFG wird Van der Bellen keine Stimme wegnehmen. Sie könnte eher Leute dazu motivieren, ihn zu wählen, um ein Zeichen gegen sie zu setzen. Für Kickl und Co. ist sie jedoch gefährlich. Ihnen könnte sie wirklich wehtun.
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