Wallner spürt’s nicht

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ANALYSE. In der Vorarlberger Wirtschaftsbund-Affäre beweist die Partei fehlendes Bewusstsein dafür, was recht ist – und welche Konsequenzen auch aus längerfristigem Eigeninteresse nötig wären.

Laut „Krone“ hat Vorarlbergs Landeshaupt- und ÖVP-Obmann Markus Wallner zwei Möglichkeiten: Er geht oder er wird gegangen. Tipp: Von eigenen Leuten zum Rücktritt gedrängt wird er kaum. Von wem auch? Die Schwarzen im Ländle sind aufgestellt wie die Türkisen unter Sebastian Kurz einst auf Bundesebene. Alles ist auf den Chef ausgerichtet, dieser hat dafür gesorgt, dass niemand neben ihm groß werden kann. Relevant für Wallner waren bisher allenfalls Wirtschaftsbündler. Sie sind nun aber mit sich selbst beschäftigt, sofern sie überhaupt noch amtieren.

Von sich aus zurücktreten wird Wallner kaum. Beim 54-Jährigen ist das Pensionsalter fern und das Problembewusstsein gering. Bisher hat der Mann eher nur gemauert bzw. ausschließlich das Allernötigste gesagt und getan. Unter Verweis darauf, dass man gesetzlich nicht dazu verpflichtet sei, hat er im Dezember nicht einmal erklären wollen, wie viel der Wirtschaftsbund seiner Landesparteiorganisation in den vergangenen Jahren überwies. Als infolge einer Finanzprüfung die Frage auftauchte, ob Zahlungen nicht umsatzsteuerpflichtig gewesen wären, meinte er peinlicherweise, dass allenfalls nur Unwissenheit im Spiel gewesen wäre.

Zuletzt kündigte Wallner eine externe Prüfung der Finanzgebarungen an. Das klingt vielversprechend. Allein: Wer wird beauftragt? Wie ist der Zeitplan? Wie lautet der Prüfauftrag? Darauf wird es ankommen.

In der ÖVP mangelt es verbreitet an Problembewusstsein: Ex-Nationalratspräsident Andreas Khol sieht rückblickend auf die kurze Ära Kurz nur einen Fehler. Nämlich, dass man im vergangenen Jahr nicht gleich in eine Neuwahl gezogen sei. Dann wäre man zwar nicht auf 38, aber auf 32 Prozent gekommen und nicht gar so weit abstürzt, wie man es mittlerweile getan hat, so Khol in einem ZIB1-Interview. Zur Erinnerung: Khol ist derjenige, der einst durchgesetzt hat, dass die Legislaturperiode von vier auf fünf Jahre verlängert wird. Doch das sei hier nur am Rande erwähnt. Der Punkt ist: Mit einer weiteren Neuwahl (nach 2017 und 2019) hätte sich die ÖVP über alles hinwegschwindeln können, sofern sie wirklich auf 32 Prozent gekommen wäre. Sie hätte sich nicht mit sich selbst beschäftigen müssen.

Der amtierende Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) meinte im ORF wiederum zur Vorarlberger ÖVP-Wirtschaftsbund-Affäre: „Man muss offen zu Fehlern stehen. Wenn eine Steuer nachzuzahlen ist, dann ist eine Steuer nachzuzahlen. Aber man soll aufhören, das zu kriminalisieren.“ Sprich: Er bemüht sich, die ganze Sache vorsorglich bzw. für den Fall der Fälle zu einer Bagatelle zu erklären. Damit man hinterher sagen kann, es war eh nix.

Schaut man sich die Internetseiten der Vorarlberger ÖVP und des dortigen Wirtschaftsbundes an, erahnt man, was läuft: Nichts. Man muss lange suchen, bis man zum großen Thema etwas findet – und das ist bei der Partei dann auch nur eine Aussendung, wonach Rücktrittsaufforderungen gegen Wallner zurückgewiesen werden (Stand: 25. April, vormittags).

Würde die ÖVP spüren, was läuft, wäre sie längst in die Offensive gegangen: Sie hätte (auch auf den erwähnten Internetseiten) Erklärungen zur Affäre abgegeben, hätte angekündigt, an einer ernsthaften Aufklärung mitzuwirken und, abhängig von den Ergebnissen, Konsequenzen zu ziehen; wobei es kein Tabu gebe.

Die Partei hätte das sogar als Chance begreifen können, auf die Höhe der Zeit zu kommen, in der Dinge wie Transparenz eine Selbstverständlichkeit sein müssen; gerade in einem Land, in dem politisch fast alles in irgendeiner Weise in ihrer Hand ist.  Aber nein, sie kapiert’s nicht.

Das wird ihr zum Verhängnis. Wenn etwa Wallner wirklich jemand zum Verhängnis werden kann, dann sind es einflussreiche Unternehmer, die sich freiwillig oder unfreiwillig für das ÖVP-Wirtschaftsbund-System einspannen ließen, an dessen Verantwortungsspitze er steht; die nun, da zum Beispiel deutlich wird, was mit dem Geld so getrieben worden ist, ein echtes Problem bekommen haben: Es geht um ihren Ruf, ihr Kapital. Sie spüren jetzt, dass es ramponiert ist, sie werden im Unterschied zu einer Partei nicht erst bei einer Wahl irgendwann damit konfrontiert.

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