ANALYSE. Der Vorarlberger Landeshauptmann hat zu lange zugeschaut und sich hinter Intransparenz-Bestimmungen versteckt. Er trägt Verantwortung für die Finanzaffäre in seiner Parteifamilie.
Die Vorwürfe wiegen schwer: Laut Tageszeitung „Der Standard“ könnte die Vorarlberger ÖVP in den vergangenen Jahren nicht – wie von ihr behauptet – 900.000 Euro von ihrer Teilorganisation Wirtschaftsbund erhalten haben, sondern eineinhalb Millionen. Im Übrigen sind den Berichten zufolge in diesem Wirtschaftsbund etwa 250.000 für ein Darlehen eines und weitere 24.000 Euro für eine Lebensversicherung eines anderen Ex-Direktors locker gemacht worden. VN-Chefredakteur Gerald Riedmann schreibt in einem Kommentar von einem „frivolen Funktionärs und ÖVP-Bankomat“.
Landeshaupt- und ÖVP-Obmann Markus Wallner ist angezählt. Es ist Zeit, sich näher mit seiner Verantwortung auseinanderzusetzen. Im Dezember war das Wirtschaftsbund-Magazin „Vorarlberger Wirtschaft“ wegen der vielen Inserate erstmals im Fokus gestanden. Damals kam auch die Frage auf, wie sehr die ÖVP indirekt davon profitierte. Vermutet wurde, dass Überweisungen des Wirtschaftsbundes in ihren „Erträgen aus parteieigener wirtschaftlicher Tätigkeit“ enthalten sind; diese Erträge müssen im Rechenschaftsbericht als Gesamtsumme ausgewiesen werden. Auf einer Pressekonferenz wollte Wallner keine Details nennen: Gefordert sei lediglich eine „Ziffer“ – „und darüber hinaus sind derzeit keine weiteren Bestimmungen vorhanden. Wenn sich das ändert, wird das auch anders sein.“ Sprich: Er hat sich hinter den Intransparenz-Bestimmungen versteckt. Offenbar glaubte er, dass das genug Schutz biete. Ein Irrtum.
Nachdem in den vergangenen Wochen eine Finanzprüfung beim Wirtschaftsbund und eine Selbstanzeige desselben bekannt geworden war; und nachdem der bisherige Obmann Hans Peter Metzler gemeinsam mit dem Direktor Jürgen Kessler zurückgetreten war, kam erstmals eine Art Eingeständnis von Wallner: Möglicherweise habe er „ein wenig zu lange zugeschaut“, erklärte er in einem VN-Interview: „Ich bin nicht persönlich für alles mitverantwortlich, was in einer Teilorganisation passiert. Aber wenn sie mich so fragen, hätte es in den vergangenen Jahren da oder dort rascher einen Eingriff geben müssen.“
Diese Ausführungen machen ein paar Anmerkungen nötig: Erstens, Wallner trägt eine Gesamtverantwortung für die Vorarlberger Volkspartei und diese umfasst letztlich auch Teilorganisationen. Zweitens, größer ist die Verantwortung in Bezug auf den Wirtschaftsbund nicht so sehr, weil Wallner ein einfaches Mitglied davon ist, sondern weil seine Partei (und damit auch er als Spitzenkandidat) in Wahljahren hunderttausende Euro von ihm bekommen hat. Es ist nicht egal, um wie viel genau es sich dabei gehandelt hat und wie die Teilorganisation zu diesem Geld gekommen ist. Hier geht es um eine Art Dopingmittel, das stärkend wirken soll.
Drittens, die Aussage, er habe möglicherweise ein wenig zu lange zugeschaut, impliziert, dass er zumindest Ahnungen hatte. Was nicht bedeutet, dass er alles wusste; das wäre eine nicht belegbare und damit auch untragbare Unterstellung. Die Sache ist jedoch die: Wallner kann der Wirtschaftsbund wirklich nicht völlig fremd gewesen sein. Er kennt die Akteure und ist einer der größten Polit-Insider des äußersten Westens.
Seit einem Vierteljahrhundert ist er auf Landesebene tätig: 1997 wurde er Landtagsabgeordneter und zusätzlich Büroleiter des damaligen Landeshauptmannes Herbert Sausgruber. 1999 wechselte er von dieser Funktion zu der des Landesgeschäftsführers der ÖVP. 2003 wurde er Klubobmann der Landtagsfraktion, 2006 Landesstatthalter und 2011 schließlich Landeshauptmann. 2012 folgte der Parteivorsitz.
Abschluss: Es geht längst nicht mehr nur um eine ÖVP-interne Angelegenheit, die damit natürlich auch den Chef trifft. In Vorarlberg hat der Wirtschaftsbund eine Art Monopolstellung. Prominente Unternehmer haben sich gerne für ihn engagiert, sich einspannen lassen oder – wie der ehemalige stellvertretende Sprecher der Tischlerinnung, Michael Stadler, in einem ZIB2-Interview zum Ausdruck brachte – genötigt gesehen, in dem Magazin zu inserieren bzw. (Eindruck Stadler) „reine Parteienfinanzierung“ zu tätigen. Sie alle sind freiwillig oder offenbar gezwungenermaßen zum Teil eines politischen Systems (gemacht) geworden, das nun aufbricht.
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