ANALYSE. Verbot öffentlicher Inserate in Medien, die einer Partei strukturell auch nur nahestehen, hätte in mehreren Bundesländern schwerwiegende Folgen. Zum Beispiel in Oberösterreich für das dortige Volksblatt, eine schwarze Tageszeitung.
Die Vorarlberger ÖVP-Wirtschaftsbund-Affäre bleibt nicht ohne Folgen. Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) und Grünen-Landesrat Daniel Zadra haben angekündigt, dass Beteiligungsunternehmen des Landes nicht mehr in Medien von Parteien, Teilorganisationen oder parteinahen Vereinen inserieren dürfen. Wie hier berichtet, haben sie das in der Vergangenheit mit größtem Eifer getan. Und zwar eben auch in der Zeitschrift „Vorarlberger Wirtschaft“, die der Wirtschaftsbund, eine ÖVP-Teilorganisation, herausgegeben hat. Allein die landeseigene Hypobank meldete ein Volumen von über 200.000 Euro für die Jahre 2012 bis 2021.
Damit soll Schluss sein. Nicht nur in Bezug auf die erwähnte Zeitschrift, die ohnehin eingestellt ist, sondern eben auch auf sämtliche Medien in der Parteienwelt. Für landeseigene Unternehmen kommt eine Anpassung des maßgebenden „Corporate Governance Kodex“. Für übrige Unternehmen, an denen das Land eine Minderheitsbeteiligung hält, soll es ein entsprechendes Ersuchen geben.
Wenn das österreichweit Schule macht, wofür es nun wohl Druck geben dürfte, ändert sich einiges. In Niederösterreich hätte in der Vergangenheit wohl etwa der „Report“ von Wolfgang Sobotkas Alois-Mock-Institut viel weniger Geld für Inserate bekommen; fleißig geworben haben darin unter anderem das Land sowie Landesunternehmen (etwa die EVN)
Es geht aber auch um Gegenwärtiges: Der niederösterreichische Rechnungshof wird demnächst die öffentliche Inseratenvergabe im Land prüfen. Oppositionsparteien wittern Geschäfte zugunsten der ÖVP bzw. nahestehender Verlage. Auf Basis des Ergebnisses wird sich herausstellen, wo bzw. inwiefern Grenzen nach neuen Vorarlberger Maßstäben überschritten worden sein könnten; und zwar natürlich auch zugunsten anderer Parteien, wie der SPÖ, die über ihren Gemeindeverband ebenfalls publizistisch tätig ist (vgl. profil-Bericht dazu).
Besonders heikel könnte es nach alemannischen Maßstäben in Oberösterreich werden. Dort gibt es das Volksblatt, eine Tageszeitung, die eigenen Angaben zufolge rund 60.000 Leser:innen hat. Sie wird treuhändisch geführt. Treugeberin ist die „Österreichische Volkspartei Oberösterreich (mit 100%“), wie es im Impressum heißt: „Landesparteiobmann: Landeshauptmann Mag. Thomas Stelzer“.
Ex-Landeshauptmann Josef Pühringer hat in einem OÖN-Interview einmal erklärt: „Wer uns (die ÖVP) unterstützen will, kann im Volksblatt inserieren.“ Das kann natürlich auch so verstanden werden, dass es der Partei gut geht, wenn es dem Volksblatt gut geht. Wie auch immer: In der Medientransparenzdatenbank sind für das vergangene Jahr öffentliche Inserate über knapp eine Million Euro für die kleine Tageszeitung ausgewiesen. An der Spitze standen das Land Oberösterreich mit 413.000 Euro und die Energie AG OÖ mit 103.000 Euro.
In Wien wäre ebenfalls eine Debatte fällig, auch wenn sie dort anspruchsvoller ist: Die dominierende SPÖ hat in den vergangenen Jahren angefangen, sich aus dem Verlagsgeschäft zu lösen. 2017 berichtete Ö1 etwa, dass sie sich vom Echo-Verlag, an dem sie bis dahin Anteile hielt, getrennt habe. Was nicht heißt, dass dieser nichts mehr zu tun hat mit der öffentlichen Hand. Zuletzt tauchte er etwa im Zusammenhang mit dem Zuschlag auf, ein Oktoberfest im Prater ausrichten zu dürfen (vgl. Standard-Bericht).
Der Rechercheplattform „Dossier“ gelang es vor wenigen Monaten wiederum, über den Rechtsweg aufzudecken, dass die Stadt um 170.720 Euro in einer Beilage aus dem Bohmann-Verlag inseriert hat. Wobei die Sache so gestrickt war, dass es laut Gesetz nicht veröffentlicht werden musste. Für „Dossier“ handelt es sich um einen SPÖ-nahen Verlag. Womit wir bei einem entscheidenden Punkt angelangt sind: Die Herausforderung wird sein, „parteinah“ zu definieren – vor allem auch, um phantasievolle Umgehungskonstruktionen zu verhindern.
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