ANALYSE. Die ÖVP bleibt in der Zuwanderungs- und Integrationspolitik auf Bundesebene und viel mehr noch in Wien weit rechts – und riskiert damit, bei der dortigen Gemeinderatswahl auf Platz fünf zu landen.
Gerne wird Schwarz-Rot-Pink als Koalition der Mitte dargestellt. Dazu mag das ruhige, zurückhaltend wirkende Auftreten von Bundeskanzler, ÖVP-Chef Christian Stocker beitragen. In einer wesentlichen Frage, in der die Volkspartei schon unter Sebastian Kurz klar nach rechts gerückt ist, bleibt sie aber auch unter seiner Führung eindeutig dort.
Ein Ergebnis davon ist, dass von Asylberechtigten keine Familienangehörigen mehr nachkommen dürfen. Was die zuständige Integrationsministerin Claudia Plakolm von der ÖVP in einem Interview gerade mit folgenden Worten begründet hat: „Wir sind als Staat nicht dafür verantwortlich, dass Familien getrennt sind, aber sehr wohl dafür, unsere Systeme nicht zu überlasten.“ Wobei diese Überlastung nach Ansicht der Regierung so weit geht, dass ein Notstand herrscht, also die öffentliche Sicherheit und Ordnung nicht mehr gegeben ist – was nämlich die Voraussetzung dafür ist, dass die Maßnahme auf europäischer Ebene durchgeht (sofern das dort anerkannt wird).
Stocker selbst wiederum hat gerade die Ankündigung von CDU-Chef Friedrich Merz unterstützt, Asylwerber gleich an der Grenze abzuweisen, also schlicht Pushbacks durchzuführen. Gegenüber der deutschen „Bild“-Zeitung erklärte er: „Es ist erfreulich, dass sich auch Deutschland dazu bekennt, konsequent gegen illegale Migration vorzugehen.“
Gezielt weit rechts steht die ÖVP in Wien, wo am 27. April eine Gemeinderatswahl stattfindet. Der Wahlkampf der Partei ist hier nicht unterscheidbar von dem der FPÖ. Diese ist im Unterschied zu ihr sogar mit einem (vermeintlichen) Positiv-Slogan gestartet und verspricht auf ihren Plakaten nach dem Vorbild von Herbert Kickl „5 gute Jahre“ für den Fall, dass sie ans Ruder kommt.
Die ÖVP sieht die Stadt dagegen „kippen“. Eine „Messermetropole“ sei sie schon. Darüber dürfe jedoch nicht gesprochen werden: „Die links-linke Stadtregierung schweigt die Probleme tot, die wir alle jeden Tag erleben. Sie ist Brandbeschleuniger für die Probleme der Stadt“, so die Partei von Karl Mahrer, der schon einmal über Menschen mit Migrationshintergrund auf Märkten hergezogen ist, um damit in Videos Stimmung gegen sie zu machen.
Auf einer Seite unter dem Titel „Bitte, psst“ sieht die Volkspartei „Messer-Gewalt“, „Gesundheits-Notstand“ und „Bildungs-Chaos“. Treppenwitz: Mahrer hat der Koalition auf Bundesebene mit SPÖ und Neos zugestimmt, obwohl diese Wien führen und von ihm als Links-Linke dargestellt werden; und obwohl der Bundesregierung mit Christoph Wiederkehr der bisherige Bildungsstadtrat als Bildungsminister angehört, der angeblich Chaos zu verantworten habe.
Das muss man nicht verstehen. Mahrer versucht jedoch, so zu tun, als würde er die FPÖ rechts überholen. Eine Bankrotterklärung: Gerade in Wien hat sich die ÖVP einst – zum Beispiel unter Erhard Busek – um urbane, bürgerliche Politik bemüht. Damit ist es vorbei, heute überlässt sie dieses Feld Neos und in Teilen auch Grünen, die in bürgerlichen Bezirken wie Währing, wo sie die Bezirksvorsteherin stellen, eine größere Rolle spielen.
Der Versuch, die FPÖ rechts zu überholen, ist zum Scheitern verurteilt. Umfragen sehen die ÖVP bei rund zehn Prozent. Damit würde sie die Hälfte ihres derzeitigen Stimmenanteils verlieren – und im schlimmsten Fall für sie hinter SPÖ, FPÖ, Grünen und vielleicht auch Neos auf Platz fünf landen.