ANALYSE. Kickl und die FPÖ profitieren vor allem auch davon, dass ihm entscheidende Mitbewerber genau nichts entgegenzusetzen haben.
Macht Karl Nehammer die Tatsache, dass er eine Zusammenarbeit mit Herbert Kickl ausgeschlossen und dann Wort gehalten hat, also zurückgetreten ist, zu einem guten Ex-Politiker? Eine nüchterne Auseinandersetzung mit seinem Wirken führt zu einem bescheidenen Ergebnis: Nach Sebastian Kurz hat er das Schwierige nicht geschafft, nämlich den konservativen Teil der Mitte neu aufzubauen. Grund: Frei nach Othmar Karas hat er es nicht gelassen, sich immer wieder an den Rändern anzubiedern.
Für das Scheitern der schwarz-rot-pinken Regierungsverhandlungen ist er nicht allein verantwortlich, aber maßgeblich: Er hat sie über Monate irgendwie dahinlaufen lassen. Ohne Framing und ohne erkennbares Ziel. Er hat keine Geschichte dafür entworfen, die sie zu einem vielversprechenden Nicht-nur-Anti-Kickl-Bündnis hätte werden lassen können.
Karl Nehammer steht wie seine Partei insgesamt für Unzulänglichkeiten, die den Aufstieg von Herbert Kickl mit ermöglicht haben. In einem Bundesland nach dem anderen gibt es Schwarz-Blau, in der Steiermark jetzt sogar Blau-Schwarz.
Das muss gesagt werden, weil so oft von einer Brandmauer gegen Kickl die Rede ist, die jetzt umgefallen sei. Oder davon, dass die Ausgrenzung ein Fehler gewesen sei. Doch welche Brandmauer, welche Ausgrenzung? Es gab da allenfalls die Absage an eine Zusammenarbeit mit Kickl durch die ÖVP und auch mit den Freiheitlichen durch die Bundes-SPÖ.
Diese Absage durch die ÖVP war aber nicht so sehr inhaltlich als wahltaktisch motiviert. Natürlich ist Nehammer abzunehmen, dass er wirklich seine Probleme hatte mit Kickl. Entscheidend wäre jedoch gewesen, dass er diese Probleme klar, deutlich und überzeugend darlegt. Und genau das hat er nicht getan.
Im Gegenteil. In seinem Österreich-Plan hat er zunächst selber davon geredet, dass sich die EU auf Wirtschaftsthemen zurückbesinnen solle. Zu Sicherheit und Verteidigung hat er verhängnisvollerweise eine offene Auseinandersetzung gescheut, die einer Wählermasse klarmacht, warum Kickl ein Sicherheitsrisiko ist. Eine Folge davon war, dass dieser Ausruf „Sicherheitsrisiko!“ bei kaum jemandem wirkte.
In den Ländern haben Schwarze nur ein Problem mit der Person Kickl geäußert, ziehen inhaltlich aber mit Freiheitlichen durch, was diesem gefällt und noch weniger Leuten sagen kann, was das Problem mit ihm sein soll: Kampf gegen politischen Islam, Gender-Verbot, Kopftuchverbot etc.
Tiefpunkt: Christian Stocker, Nehammers Nachfolger als ÖVP-Chef, hat am Wochenende in Interviews Bedingungen für eine Koalition genannt. Zum Beispiel: „Klar ist, ein Öxit kommt für uns nicht infrage.“ Kickl muss also nur ausschließen, was er ohnehin nicht laut fordern mag: Einen EU-Austritt. Das kann er. Es hindert ihn nicht daran, weiterhin gegen Brüssel zu zündeln. Von wegen Mauer oder Linie, die die ÖVP da gerade wieder zieht.
Die Brandmauer der SPÖ ist eine partielle. Im Burgenland existiert sie nicht. In der Steiermark hätte man zuletzt auch keine gesehen. In Niederösterreich nimmt man es nicht so genau damit. Und so weiter und so fort. Andreas Babler hält auf Bundesebene eine solche aufrecht, es gibt jedoch trotzdem Wähler, die von der Sozialdemokratie zu den Freiheitlichen wechseln. Und zwar nicht wenige.
Babler kann, wie die Wiener SPÖ, eher nur Menschen erreichen, die aus Überzeugung schier nie im Leben nach rechts abdriften würden. Für die es selbstverständlich ist, dass es nicht geht mit einer FPÖ, die Grenzen schließen und de facto keine Asylwerber mehr reinlassen möchte, die für eine autoritäre, patriarchale Welt von gestern steht. Das ist eine urbane Wählerschaft, die Mitte-Links ist und am ehesten das bildet, was die SPÖ noch ausmacht.