ANALYSE. ÖVP-Chef Kurz hat sich in der Koalitionsfrage festgelegt. Ziel: Mobilisierung durch Polarisierung.
„Ich will eine ordentliche Mitte-Rechts-Politik“, sagte ÖVP-Chef Sebastian Kurz im TV-Duell mit Norbert Hofer (FPÖ). Gut, alles andere wäre einer radikalen Kursänderung gleichgekommen und denn auch einigermaßen überraschend gewesen. Einerseits. Andererseits machte Kurz damit auch klar, dass die schwarz-blaue Zusammenarbeit fortgesetzt werden soll: Grundsätzlich sei gute Arbeit geleistet worden, nur Hofer müsse noch beweisen, dass er die Freiheitlichen einzelfallfrei machen kann – worum er sich bemüht, so gut er innerparteilich kann.
Mitte bzw. klar rechts stehen in Österreich ausschließlich ÖVP und FPÖ. SPÖ, Grüne und Neos sind mehr oder weniger links von den beiden verortet und mit ihnen müsste Kurz seinen Kurs ändern. Das würde erstens seiner Absichtserklärung widersprechen und zweitens sehr viele Wähler enttäuschen, die ihn nicht nur wählen, weil sie ihn sympathisch finden, sondern vor allem auch aufgrund seiner unmissverständlichen Politik.
Die Nationalratswahl am 29. September wird unter diesen Umständen zu einer Volksabstimmung über Schwarz-Blau: Wer will, dass diese Politik bleibt, kann ÖVP oder FPÖ wählen. Alle anderen können eine der bisherigen Oppositionsparteien unterstützen. Das Ergebnis ist absehbar: Alles andere als eine Mehrheit für Schwarz-Blau ist insofern unwahrscheinlich, als diese Konstellation noch immer den größten Zuspruch hat und sich dagegen wohl auch vor diesem Hintergrund keine Alternative herausgebildet hat. SPÖ, Grüne und Neos treten jedenfalls nicht mit der Ansage an, eine Wende herbeiführen zu wollen. Wenn, dann bieten sie sich der ÖVP als Juniorpartner an. Aber das können sie sich jetzt ja ersparen.
Kurz schafft mit seiner Koalitionsansage klare Verhältnisse: Kein Mitte-Rechts- und darunter vor allem auch frustrierter FPÖ-Wähler muss befürchten, dass eine Stimme für die ÖVP eine Stimme für Schwarz-Grün werden könnte. Oder Schwarz-Rot oder Schwarz-Pink.
Diese Ansage soll wohl auch mobilisierend wirken. Wobei ihr schon ein Crescendo vorausgegangen war: Schon in seiner ersten Rede nach Veröffentlichung des Ibiza-Videos hat Kurz deutlich gemacht, dass Schwarz-Rot nicht infrage kommt für ihn; das würde Stillstand bedeuten.
Die Grünen wiederum haben sich mit steigenden Umfragewerten zunehmend zum Angriffsziel von Kurz und Co. entwickelt. Sie stünden für offene Grenzen, sagt er etwa und meint das vorwurfsvoll. Eine Ökosteuer ist überhaupt tabu für ihn. Und Klubobmann August Wöginger hat unlängst in einer Rede in Oberösterreich ohnehin alles klar gemacht: „Es kann ja nicht sein, dass unsere Kinder nach Wean fahren und als Grüne zurückkommen. Wer in unserem Hause schlaft und isst, hat auch die Volkspartei zu wählen.“ Soll heißen: Schlimmeres als grün werden, ist für einen ÖVP-Politiker heutzutage unvorstellbar. Rechte Wähler werden von Wöginger im Unterschied dazu umworben. Zum Beispiel durch sein Interview in „Info Direkt“.
Eine unmissverständliche Absage an die Grünen und Ansage pro FPÖ ist auch das Wahlprogramm der Volkspartei. Passagen zu Identität würden von Freiheitlichen stammen, ätzen diese. Fakt ist: Sie sind einander zum Verwechseln ähnlich. „Zuwanderung ins Sozialsystem“ soll ebenso weiterhin bekämpft werden wie die Mindestsicherung eingeschränkt werden soll.
„Schwarz-Blau II“ verhindern können nur die Freiheitlichen: Bisher zumindest liefern sie Kurz nahezu täglich einen Grund, zu sagen, dass es nicht gehe mit ihnen. Womit er ihre Politik halt alleine umsetzen müsste. Und zwar im Rahmen einer Minderheitsregierung: Sie hätte zwar keine Mehrheit im Parlament, aber bei den Wählern bzw. beim Volk, wie Kurz sagen würde – darauf kommt es seiner Strategie nach an und sie könnte vorerst aufgehen. Siehe Misstrauensvotum der Abgeordneten vor dem Sommer und zumindest die aktuellen Umfragewerte zur Nationalratswahl in zwei Wochen.