Van der Bellen übernimmt

ANALYSE. Der Bundespräsident wird neuerdings auch vom Boulevard geschätzt: Im Unterschied zum Kanzler spricht er Klartext.

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ANALYSE. Der Bundespräsident wird neuerdings auch vom Boulevard geschätzt: Im Unterschied zum Kanzler spricht er Klartext.

Vielleicht beginnen allmählich auch jene, die irrtümlicherweise davon ausgegangen sind, „ihr“ Bundespräsident Alexander Van der Bellen hätte die Bildung einer schwarz-blauen Koalition verhindern können, zu sehen, was der Mann liefert; es ist ein Glück, dass es ihn gibt. Und das dämmert allmählich auch Boulevardmedien, weil er im Zusammenhang mit der Causa Landbauer genau das tut, was Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) zu wenig will oder kann: Klartext reden, Konsequenzen ziehen. Beziehungsweise zeigen, dass es da noch ein anderes Österreich gibt, das 2018 nicht unbeholfen ist im Umgang mit der nationalsozialistischen Vergangenheit oder diese überhaupt verherrlicht (wie in dem unsäglichen Liedtext); sondern dass da auch ein Land existiert, das auf der Höhe der Zeit ist.

Wer dieser Tage zum Beispiel die „Kronen Zeitung“ liest, staunt ein ums andere Mal: Zuerst ein wohlwollend-wertschätzender Text, dann ein solcher Kommentar über den Bundespräsidenten. Vor wenigen Wochen noch undenkbar; da wurde Van der Bellen in nicht wenigen Blättern eher unterstellt, ungeschickt zu sein und es der Koalition von Wunderwuzzi Sebastian Kurz nur unnötig schwer zu machen. Claro: Ist ja auch der ehemalige Grünen-Chef!

Doch der Boulevard ist nicht alles. Man kann die Sache auch ohne diesen beurteilen: Bundeskanzler Kurz hat zunächst gemeint, mit einer bloßen Verurteilung des Liedtextes in Udo Landbauers Burschenschaft sei es getan; und dass im Übrigen die Gesetze die entscheidende Linie markieren würden. Wobei man jetzt darüber streiten könnte, ob Kurz das aufgrund einer gewissen Unbedarftheit wirklich so geglaubt hat; oder ob es auf den Umstand zurückzuführen ist, dass er nur des Koalitionsfriedens wegen so zurückhaltend agierte. Beides würde gegen ihn sprechen.

Bemerkenswerterweise überwindet der Bundespräsident bei alledem eine Schwäche, die mit seinem Amt verbunden ist.

Umso wichtiger waren die Klarstellungen Van der Bellens: Hier geht es auch um politische Verantwortung. Also ist es das Mindeste, dass sich Landbauer aus der Politik verabschiedet. Und überhaupt: „Wie ist es möglich, dass heute in einem regulären Verein ein solches Gedankengut offensichtlich vertreten wird?“ Sprich: Es ist nicht getan mit einem Auflösungsverfahren gegen die Wiener Neustädter Germania, wie sie Kurz zuletzt zumindest angestrengt hat. Der braune Sumpf ist möglicherweise viel größer und tiefer.

Bemerkenswerterweise überwindet der Bundespräsident bei alledem eine Schwäche, die mit seinem Amt verbunden ist: Er kann nur appellieren. Aber nichts durchsetzen. Also muss er haushalten. Jetzt aber wird er durch zwei Dinge erheblich gestärkt: Die öffentliche Meinung ist klar auf seiner Seite. Und die Regierung erweist sich als unfähig, dieser in vollem Umfang gerecht zu werden und alle notwendigen Konsequenzen zu ziehen. Das ist nicht zu übersehen. Dank Van der Bellens Deutlichkeit.

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