Über Düringers „G!LT“ sollte man nicht lachen

ANALYSE. Die Partei, die am glaubwürdigsten keine Partei bzw. einfach nur eine Absage ans Establishment ist, hat mehr denn je Potenzial.

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ANALYSE. Die Partei, die am glaubwürdigsten keine Partei bzw. einfach nur eine Absage ans Establishment ist, hat mehr denn je Potenzial.

Möglicherweise wird die Liste „G!LT“ des Kabarettisten Roland Düringer am 15. Oktober einfach nur wählbar und schon gar nicht mehr aktiv sein. Was weiß man: Die nötigen Unterstützungserklären haben Düringer und seine Mitstreiter beisammen. Zugleich aber hat er zu einer Pressekonferenz unter dem Titel „Kunstprojekt G!LT beendet“ geladen und offengelassen, was er damit sagen möchte. (Nachtrag: Auf der Pressekonferenz erklärte Düringer „G!LT“ zum „Demokratieprojekt“, das aktiv bleiben soll.)

Wie auch immer: Für diesen Text ist das ohnehin nebensächlich. Hier geht es darum, aufzuzeigen, dass „G!LT“ selbst als Juxliste nicht unterschätzt werden sollte. Und zwar gerade weil sie kein Programm hat, sondern einfach nur eine Absage an das System bzw. das Establishment darstellt. Das allein hat nämlich schon mehr Potenzial denn je.

Man sollte sich für die Analyse der österreichischen Innenpolitik angewöhnen, schier Undenkbares zu denken. Nicht, dass es eintreten muss; allein schon die Möglichkeit macht das jedoch notwendig. Wobei die Erfahrung bekräftigend wirkt. Siehe Bundespräsidenten-Wahl 2016, als die Kandidaten der ehemaligen Großparteien nicht über elf Prozent hinausgekommen sind. Also Stimmenanteile, die im Vorfeld eigentlich undenkbar gewesen waren.

Viele Wähler haben sich von „ihrer“ Partei getrennt: „Vor 30 Jahren hatten zwei Drittel eine starke Bindung an eine Partei. Heute ist es nur noch ein Drittel“, stellt der Politikwissenschaftler Fritz Plasser in den Vorarlberger Nachrichten fest.

Ein guter Teil dieser Wähler ist wiederum nicht zu einer neuen Partei gewechselt, die unter Umständen ein besseres Angebot für die Zukunft des Landes haben könnte; nein, er hat überhaupt mit Parteien abgerechnet. Daher versuchen Sebastian Kurz und Co. nun als Liste aufzutreten. Durchaus mit Erfolg, allerdings mit einem relativen.

Die ÖVP und Sebastian Kurz stehen momentan mit Abstand am besten da. Dass kann jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass sie lediglich auf einen Stimmenanteil von etwa einem Drittel kommen. Und dass auch die Vertrauenswerte von Kurz zwar im Vergleich zu seinen Mitbewerbern „top“, unterm Strich aber halt doch auch mäßig sind: Die Frage „vertrauen Sie“ ihm oder „vertrauen Sie ihm nicht“, ergab in seinem Fall im APA/OGM-Vertrauensindex im Juni einen Saldo von 24. Vor zehn Jahren hielten zahlreiche Bundespolitiker viel höhere Werte. Benita Ferro-Waldner kam als Außenministerin einst auf einen doppelt so hohen (49), Heinz Fischer als Bundespräsident gar auf einen dreimal höheren (79).

Man könnte jetzt zu einem Exkurs ansetzen, der die Kür von Donald Trump vor einem ähnlichen Hintergrund beleuchtet.

All das spricht dafür, dass es in Österreich eine echte Parteien- und Politikerkrise gibt, die selbst die Erfolgreichsten unter ihnen nicht verschont: Sie schneiden eben nur relativ gut ab. Und das macht auf der anderen Seite Platz für Angebote, die sich darauf beschränken, gegen „das System“ oder „das Establishment“ aufzutreten. Und die nicht nur auf Protest setzen, sondern überhaupt eine Absage.

Man könnte jetzt zu einem Exkurs ansetzen, der die Kür von Donald Trump zum US-Präsidenten vor einem ähnlichen Hintergrund beleuchtet. Es genügt jedoch, in der Alpenrepublik zu bleiben: Norbert Hofer hat bei der Präsidentschaftswahl versucht, sich als als solches Angebot zu positionieren. Mit beachtlichen Ergebnissen: 35 Prozent im ersten Durchgang und 46 Prozent in der Stichwahl.

Wer aber könnte ein solches Angebot glaubwürdiger machen als jemand wie Roland Düringer, der mit Parteien und Politikern wirklich nichts am Hut hat und auch wirklich nichts verändern möchte? Um nicht missverstanden zu werden: Damit wäre ihm kein zweistelliges Ergebnis gewiss; ein paar Prozentpunkte, die andere sehr, sehr schmerzen, wären es jedoch allemal.

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