Türkises Ibiza

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ANALYSE. Der Kanzler missbraucht seine Macht: Mit seinen Angriffen auf Staatsanwälte ging Sebastian Kurz entschieden zu weit.

„Ibiza“ steht für Ex-FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache und die Ankündigungen, die er in jener Villa für den Fall getätigt hat, dass er eines Tages zu einer Regierungsbeteiligung kommt: Dann werden Staatsaufträge nach Gutsherrenart vergeben, unliebsame Leute geschnitten und Medien zurechtgerichtet. Ein bisschen davon ist dann ja offenbar auch bei den Casinos praktiziert worden: Ein Günstling wurde Vorstand und die Unterstützung eines dazu nötigen Anteilseigners sollte dieser nicht um Gottes Lohn gewährt haben.

Womit wir allmählich zu einem türkisen Ibiza kommen, das sich gerade auftut: Laut der Wiener Wochenzeitung „Falter“ attackierte Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) in einem Hintergrundgespräch mit Journalisten die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft. Er habe sie unter anderem als Netzwerk roter Staatsanwälte bezeichnet, die gezielt gegen ÖVP-Vertreter vorgehen würden. Zum Beispiel in der Casinos Affäre gegen Ex-Finanzminister Hartwig Löger.

Das ist ein brutales Stück: Auf die Frage, ob diese Staatsanwaltschaft aufgrund ihrer Ermittlungen an die kurze Leine genommen werden solle, hatte sich Kurz im Ö1-Journal zu Gast am vergangenen Samstag ganz anders geäußert: „Das wäre ein Eingriff in die Justiz“, sagt er, wie es sich gehört: „Und das ist sicherlich das Letzte, was wir wollen.“

Die Äußerungen im Hintergrundgespräch widersprechen dem. Dabei handelt es sich zwar um keinen Eingriff, aber um einen Angriff. Anders ausgedrückt: Auch Aussagen in einem Hintergrundgespräch mit Journalisten haben ein ganz bestimmtes Ziel; in diesem Fall war es plumpe Stimmungsmache gegen die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft. Und zwar vorsorglich für alles, was sie so ans Licht bringt oder wozu auch immer. Es reicht, dass ein Kanzler seine Machtposition missbraucht, um die Staatsanwaltschaft stimmungsmäßig zu schwächen; das ist zu viel Grenzüberschreitung.

Dazu passt, was ebenfalls diese Woche bekannt geworden ist: Dass der Sektionschef im Justizministerium, Christian Pilnacek, zwei prominente Leute empfing, die sich in der Casinos-Affäre offenbar als Opfer betrachten: Die Aufsichtsräte Walter Rothensteiner (Ex-Raiffeisen-Mann) und Josef Pröll, seines Zeichens ehemaliger Bundesobmann der Volkspartei. Pilnacek will den beiden, gegen die ermittelt wird, nur sein Ohr geliehen und sich bemüht haben, Emotionen rauszunehmen.

Sehr lieb. Als ganz gewöhnlicher Staatsbürger muss man sich nur folgendes vorstellen: Angenommen, gegen Sie wird ermittelt. (Erstens) mit welcher Absicht bemühen Sie sich dann um einen Termin auf höchster Ebene und (zweitens) mit welcher Aussicht darauf, dass ein solcher zustande kommt? Eben. Man muss schon aus einer besonderen Ecke kommen, damit man dieses Glück hat. Von wegen „vor dem Recht sind alle gleich“ und so; diesbezüglich muss man hier zumindest misstrauisch werden. Was zeigt, wie schwerwiegend diese Angelegenheit ist.

Doch zurück zur ÖVP von Sebastian Kurz: Sie nützt ihre Macht zu Dingen, die politisch jeden Rahmen sprengen. Und als mit Abstand größte Partei, die noch dazu einen Koalitionspartner hat, der sich eher nur auf Klimafragen reduzieren lässt, kann sie diesbezüglich noch weiter gehen als sie es ohnehin schon getan hat.

Politisch ist zum Beispiel auch unerträglich, wie engmaschig die Verbindungen zwischen dem hochsensiblen Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) und ÖVP-Vertretern sind; der U-Ausschuss dazu es herausgearbeitet. Oder wie Wiener Neustadt vom schwarzen Land Niederösterreich groß gefördert wird, seit es nicht mehr rot, sondern schwarz ist; die ZiB2 hat darüber berichtet. Sprich: Hier tut eine Partei alles, um sich den Staat zu richten und alle Gewalten ganz nach ihren Vorstellungen tanzen zu lassen.

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