ANALYSE. Der FPÖ-Chef durchbricht eine Grenze nach der anderen. Das Schlimme ist: Wie Trump könnte er genau damit eine Mehrheit erreichen.
Der Erfolg des amerikanischen Präsidentschaftskandidaten Donald Trump wird erst nach und nach begreifbar: Er stellt sich gegen das, was viele seiner Landsleute als Establishment bezeichnen und, man muss es sagen: hassen. Daher hat ihn nicht einmal das Skandalvideo, durch das sein Frauenbild entlarvt wurde, aus dem Rennen werfen können. Geschweige denn der Umstand, dass sich ein Republikaner nach dem anderen von ihm verabschiedet; das unterstreicht viel eher seine Glaubwürdigkeit, nicht zu den Politikern in Washington dazuzugehören.
Ähnliches steht hinter FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache in Österreich: Er pfeift auf seine Verantwortung als führender Oppositionsvertreter. Er sagt einfach, was er sich denkt und gibt der wachsenden Gruppe seiner Anhänger die Möglichkeit, das ebenfalls zu tun; und zwar – und das ist das entscheidende – ohne so grundsätzliche Prinzipien, wie jenes der Menschenwürde, achten zu müssen.
Den diesbezüglichen Tiefpunkt gab es am vergangenen Wochenende, als Strache auf Facebook mit dem ergänzenden, wie schlichten Kommentar „Fassungslos“ auf den Krone-Bericht über einen Asylwerber verwies, der versuchte, sich in Wien-Favoriten umzubringen, indem er sich u.a. vor eine Straßenbahn schmiss. Was folgte, ist bekannt: Postings, in denen dem Flüchtling nichts weniger als der Tod gewünscht wurde.
Entscheidende Mitbewerber trauen sich nicht mehr, Strache und seinen Praktiken in der notwendigen Klarheit entgegenzutreten.
Nicht nur sie, vor allem auch Strache hat damit eine Grenze durchbrochen: Wer, wie er, eine Führungsperson ist, muss wissen, was er öffentlich tut; und wenn sich einmal etwas verselbstständigt, dann hat er umso deutlicher einzuschreiten. Strache lässt es schleifen. Siehe die erwähnten Postings, die so zögerlich gelöscht worden sind, dass sie zuvor noch von Tausenden gelesen und wiedergegeben werden konnten.
Bisher hatte man zumindest davon ausgehen können, dass jemand, der sich so verhält wie der FPÖ-Chef, keine Chance hat, Kanzler zu werden. Entsprechende Persönlichkeitswerte scheinen dies auch zu bestätigen. Man sollte sich davon allerdings nicht täuschen lassen. Grund: Entscheidende Mitbewerber trauen sich nicht mehr, Strache und seinen Praktiken in der notwendigen Klarheit entgegenzutreten. Zu viele Wähler hat er vor allem den ehemaligen Großparteien bereits weggenommen; zu vorsichtig – um nicht zu sagen: verständnisvoll – gehen sie mit ihnen um, um sie vielleicht doch noch zurückholen zu können. Ein aussichtsloses Unterfangen allerdings, das Strache und seine Anhängerschaft nur noch stärker macht; sie können sich unter diesen Umständen alles erlauben. Ja, wie Trump in den USA, können sie sich über sämtliche Regeln hinwegsetzen.
> Mehr zum Tehema: Bericht der Tageszeitung „Kurier“ und Blog von Stefan Kappacher.