Strache in der Ungerechtigkeitsfalle

ANALYSE. Reaktionen der FPÖ-Wähler zeigen, dass der (sehr wahrscheinlich) künftige Vizekanzler auf ein größeres Problem zusteuert. 

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ANALYSE. Reaktionen der FPÖ-Wähler zeigen, dass der (sehr wahrscheinlich) künftige Vizekanzler auf ein größeres Problem zusteuert.

Die schwarz-blaue Regierung ist noch nicht gebildet, hat da FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache schon sein erstes Problem: Er, der sehr wahrscheinlich Vizekanzler wird, muss sich von Anhängern dafür kritisieren lassen, einer Flexibilisierung zugestimmt zu haben, die Arbeitszeiten von bis zu 12 Stunden pro Tag und 60 Stunden pro Woche erleichtert. Von einem „Kniefall vor der ÖVP“ sei auf Facebook die Rede gewesen, berichtete die Tageszeitung „Kurier“: „Drohungen, bei einer tatsächlichen Umsetzung der Regelung „ganz sicher nie mehr die FPÖ“ zu wählen, häuften sich.“

Solche Dinge wird Strache noch öfter erleben. Unweigerlich. Das lässt sich aufgrund der Ergebnisse der SORA-Wahltagsbefragung vom 15. Oktober so sicher sagen: 53 Prozent all jener Wähler, die der Aussage zustimmen, Österreich sei ein eher ungerechtes Land, stimmten für ein und dieselbe Partei; die FPÖ. Gerade einmal 24 Prozent für die ÖVP, acht Prozent für die Neos und nur vier Prozent für die SPÖ.

Wobei man davon ausgehen kann, dass es ein sehr unterschiedliches Verständnis von Gerechtigkeit gibt: Neos-Wähler etwa sind zu einem größeren Teil Selbstständige. Ihnen widerfährt Ungerechtigkeit im Alltag wohl ganz anders als vielen FPÖ-Wählern, die Arbeiter sind.

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Um bei der Arbeitszeit zu bleiben: Für den Selbstständigen ist es, wenn er auch noch Arbeitgeber ist, eher ein Problem, dass er seine Mitarbeiter nicht so lange einsetzen kann, wie es vielleicht gerade notwendig wäre. Arbeiter mögen dagegen eher das Gefühl haben, ohnehin schon viel zu viel arbeiten zu müssen.

59 Prozent der Arbeiter haben die FPÖ gewählt. Sie verdienen im Schnitt so wenig, dass sie kaum bis gar keine Lohnsteuer zahlen.

Mit der Gerechtigkeit ist das überhaupt so eine Sache, wie sich insbesondere auch im Bereich Steuer- und Sozialpolitik nachvollzielen lässt: 59 Prozent der Arbeiter haben laut SORA-Befragung die FPÖ gewählt. Sie verdienen im Schnitt so wenig, dass sie kaum bis gar keine Lohnsteuer zahlen und im Übrigen auch nicht so viel Sozialversicherungsbeiträge, dass sie damit für sich eine Pension zusammenbringen würden, von der sie eines Tages auch nur annähernd leben könnten. Trotzdem haben offenbar viele das Gefühl, zu kurz zu kommen.

2014 lieferten 494 Einkommensmillionäre immerhin 381 Millionen Euro Lohn- und Einkommensteuer ab.

Auf der anderen Seit zahlen Spitzenverdiener extrem viel ein: 2014 lieferten die (damals) 494 Einkommensmillionäre immerhin 381 Millionen Euro allein an Lohn- und Einkommensteuer ab. Sie werden damit mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit mehr „ins System“ eingezahlt haben, als sie in irgendeiner Form zurückbekommen haben. Doch das ist zu einem Stück weit eben Teil der Solidargesellschaft.

Das Problem für Strache beginnt nun dort, wo seine Wähler diese Solidargesellschaft nicht mehr sehen wollen; bzw. wo sie davon ausgehen, dass sie sich zum Beispiel ihre eigene Pension allemal selbst erarbeiten. Diesem Eindruck zu begegnen ist für Strache unmöglich; es ist in vielen Fällen nicht nur falsch, er hat dieses Empfinden mit seiner „Fairness“-Kampagne im Wahlkampf auch noch selbst bestärkt.

Lösbar ist das für den FPÖ-Chef nur so: Indem er angebliche Ungerechtigkeiten dort festmacht, wo er sie nicht lösen kann. 

Lösbar ist das für den FPÖ-Chef nur so: Indem er angebliche Ungerechtigkeiten dort festmacht, wo er sie nicht lösen kann. Bei internationalen Konzernen oder wo auch immer. In Österreich selbst sind seine Möglichkeiten aber begrenzt: Wenn sich das Pensionssystem nicht einmal dadurch selbst finanzieren kann, dass im Sinne des Umlageverfahren die jeweils Jüngern für die jeweils Älteren aufkommen; wenn dabei ohnehin schon die Leistungsfähigeren mehr einzahlen; und wenn dabei auch noch in der Pensionsversicherung gut zehn Milliarden Euro aus Steuermitteln zugeschossen werden – dann ist dem, der relativ wenig einzahlt und das trotzdem als eine himmelschreiende Ungerechtigkeit empfindet, eigentlich gar nicht mehr zu helfen.

weiter erläutert zu werden. Werden der Arbeitnehmervertretung Geld, Posten und Einflussmöglichkeiten genommen, wird ihr Zustand diesem bald ähneln.

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