SPÖ stolpert über sich selbst

ANALYSE. Warum an eine wirkungsvolle Oppositionsarbeit noch nicht einmal zu denken ist. 

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ANALYSE. Warum an eine wirkungsvolle Oppositionsarbeit noch nicht einmal zu denken ist.

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) müssen sich auch nach einjähriger Regierungszusammenarbeit nicht fürchten vor der Sozialdemokratie. Sie mag sich in Oppositionsarbeit versuchen, scheitert in aller Regel jedoch an sich selbst.

An drei großen Themen lässt sich das sehr eindrucksvoll darstellen; wobei es sich nicht um irgendwelche Themen handelt, sondern um Mindestsicherung, 12-Stunden-Tag und Sozialversicherungs-Zusammenlegung – Themen also, die für SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner aufgelegt wären. Da geht es nicht nur um Migration, wo sie nichts zu gewinnen hat, sondern um Soziales, Gesundheit und Arbeiter. Was will sie mehr?

Die Opposition gegen die Mindestsicherungsreform hat sich die Partei soeben aber selbst erledigt. Wiens Sozialstadtrat Peter Hacker hat diese Reform vernichtet. Und zwar hörbar, indem er die vorgesehene Erhebung des Migrationshintergrunds der Eltern von Leistungsbeziehern mit Nazi-Methoden verglich. Hans Peter Doskozil, Burgenlandes LH in spe, hat so ziemlich genau das Gegenteil davon geliefert und zum Ausdruck gebracht, dass er erstens Frontal-Opposition ablehnt und zweitens das Regierungsvorhaben „in Ordnung“ findet.

Was bleibt: Die SPÖ ist nicht geschlossen gegen die Mindestsicherungsreform; im Gegenteil.

Diese Differenz mag wenig später niedergebügelt worden sein, was bleibt, ist jedoch eine mittlere Katastrophe für die Sozialdemokratie: Sie ist ganz offensichtlich nicht geschlossen gegen die Mindestsicherungsreform; im Gegenteil, Doskozil, einer der ganz Wirkungsstarken aus ihren Reihen, der vom Boden- bis zum Neusiedlersee wahrgenommen wird, ist dafür. Damit lässt sich nicht mehr dagegen mobilisieren, für den Fall des Falles hat man ÖVP und FPÖ schließlich eingeladen, sich auseinanderdividieren zu lassen.

Zum nächsten Beispiel: Arbeitszeitflexibilisierung. Rendi-Wagner mag mit Ärzten auftreten und erklären, dass 12 Stunden pro Tag und 60 Stunden pro Woche „krank machen“. Gewerkschafter mögen im Sommer eine Riesendemo organisiert haben. Die Kampagne ist jedoch nicht mehr stimmig. Bei der Metaller-Lohnrunde haben sie sich die Flexibilisierung abkaufen lassen. Also ist der Widerstand nicht mehr glaubwürdig.

Auch Rendi-Wagner vergisst, von einer „4-Klassen-Medizin“ zu sprechen

Drittes und letztes Beispiel: Zusammenlegung der Sozialversicherungsträger. Rendi-Wagner warnt vor „3-Klassen-Medizin“. Zumal die Sache abstrakt ist, wird das jedoch kaum eine Masse beeindrucken. Tatsächlich gibt es drei Solidargemeinschaften, die unterschiedlich leistungsstark sind: Beamte, Selbstständige, Arbeitnehmer. Es bleibt jedoch eine vierte, die in der Debatte immer wieder untergeht: Landes- und Gemeindebedienstete mit ihren Krankenfürsorgeanstalten. Sie stehen zumindest so gut da wie Beamte, also viel besser als die Arbeitnehmer. Dass auch Rendi-Wagner darauf vergisst, schwächt ihre Linie in der Frage, ist aber nachvollziehbar – die größte Krankenfürsorgeanstalt ist die der Wiener Gemeindebediensteten.

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