ANALYSE. Die Partei hält sich nicht nur „viel zu sehr mit internen Diskussionen auf“, wie Pamela Rendi-Wagner bestätigt. Ihr fehlt auch eine Ausrichtung mit dem Ziel, eine Mehrheit dafür zu gewinnen.
Warum die SPÖ in allen Umfragen zurückfällt? „Na ja, weil wir uns in der Öffentlichkeit viel zu sehr mit internen Diskussionen aufhalten“, so Parteivorsitzende Pamela Rendi-Wagner am Sonntagabend in der ZIB 2. Das hat was: Auch im Gespräch mit Armin Wolf ging es lange um die Spannungen mit dem burgenländischen Landeshauptmann Hans Peter Doskozil. Das war Wolfs Fragen, aber auch ihren Antworten geschuldet. Es nervt allmählich.
Ändern wird sich das in absehbarer Zeit wohl kaum. Im Gegenteil: Gerade weil die SPÖ zurückfällt und – wie schon in Tirol – nun auch in Niederösterreich trotz massiver ÖVP-Verluste bei einer Landtagswahl keine nennenswerten Zugewinne erwarten kann, wird die Auseinandersetzung mit dem Zustand der Partei eher noch stärker in den Vordergrund rücken.
Kein Wunder: Rendi-Wagner hat sich selbst durch vorübergehend gut Umfragewerte berauschen lassen, erklärte sich im März des vergangenen Jahres zur Kanzlerkandidatin, die bereit ist, anzupacken. Früher oder später schien sie ja wirklich Gelegenheit dafür zu bekommen: Im Sommer 2022 wirkte es, als würde kein Weg an einer SPÖ-geführten Regierung vorbeiführen. Damals hielt die Partei mit ÖVP sowie Neos und Grünen, aber auch der FPÖ, rein rechnerisch eine Mehrheit. Sprich: ÖVP und FPÖ hätten sich mit Neos oder Grünen zusammentun müssen, um sie als Kanzlerpartei zu verhindern.
Aktuell müsste die SPÖ mit den Freiheitlichen koalieren oder mit der ÖVP und einer der beiden Kleinparteien. Eine „Große Koalition“ mit der ÖVP würde sich genauso wenig ausgehen wie eine Ampel.
All das kommt jedoch nicht irgendwoher und erhöht den Druck für die Sozialdemokratie, einen Neustart vorzunehmen, der seit der Nationalratswahl 2019 aussteht, als sie von fast 27 auf rund 21 Prozent abstürzte, aber nicht weiter darauf reagierte. Sie beschränkte sich stattdessen zu sehr darauf, Ereignissen hinterher zu hecheln. In Bezug auf die Teuerung dadurch, dass sie noch breitere Entlastungen fordert und in Bezug auf Asyl, indem sie jetzt halt auch versucht, Härte zu demonstrieren.
Bei Asyl könnte das lediglich helfen, Rechtspopulisten weniger Angriffsflächen zu bieten; dass sich die SPÖ von ihnen nicht nachsagen lassen muss, Probleme zu ignorieren. Bei der Teuerung geht es der Partei ein bisschen wie der Regierung: Wähler sind nicht dankbar für milliardenschwere Pakete oder auch nur Forderungen wie jene nach einer Streichung der Umsatzsteuer auf Grundnahrungsmittel. Das bringt keine Stimmen.
Warum? Vielleicht merken die Leute, dass hier allenfalls größte Not gelindert, aber keine längerfristige Perspektive geschaffen wird. Möglicherweise befürchten sie, dass der Staat heute „Koste es, was es wolle“ praktiziert, darüber hinaus aber keine Sicherheiten mehr garantieren kann, wie man sie gewohnt ist. Ja, dass irgendwann ohnehin wieder ein Sparpaket kommen wird.
Besonders die Sozialdemokratie, die traditionell für einen starken Staat steht, wäre hier gefordert, neue Konzepte vorzulegen. Sonst wird sie den Erwartungen von mehr und mehr Wählern nicht (mehr) gerecht: Wie könnte das Steuersystem weiterentwickelt werden, wie könnten es Sozialleistungen, worauf sollten sich die Bürger einstellen? Was muss zur Stärkung der Bildung geschehen, was zur Abfederung der Klimakrise, …?
Das wäre wohl eine programmatische Aufgabe, wie sie Bruno Kreisky im Vorfeld der Nationalratswahl 1970 unter Einbindung von 1400 Expertinnen und Experten geleistet hat. Ergebnis damals: Eine Ansage für die Zukunft, von Sozial- über Justiz- bis Kulturpolitik. Sie sei über die Parteigrenzen hinweg diskutiert worden, die SPÖ habe ein Image des Fortschritts erlangt, wie es hier in einer Dokumentation heißt.
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