ANALYSE. Rendi-Wagner und Co. punkten eher nur bei enttäuschten Grünen. Das reicht jedoch nicht für einen Wechsel.
Ausgerechnet in Kärnten, wo die SPÖ unter Führung von Landeshauptmann Peter Kaiser gefestigt schien, setzte es am vergangenen Wochenende bittere Niederlagen für die Partei: Bürgermeister-Stichwahlen gingen nicht nur in Spittal an der Drau und Hermagor verloren, sondern auch in der Landeshauptstadt Klagenfurt. Wofür es natürlich jeweils spezifische Erklärungen gibt. Bei einer solchen Serie muss aber auch die Bewegung, die darüber steht, nachdenklich werden; da hat es ganz offensichtlich auch etwas mit der Sozialdemokratie insgesamt: Sie strahlt im Süden der Republik nicht mehr so sehr wie vor wenigen Jahren nach dem Ende der (Nach-)Haider-Ära; sie hat zu wenig attraktives Personal für relativ wichtige Funktionen.
Als hätte die SPÖ nicht ohnehin schon genug Probleme: Auf Bundesebene haben Koalitionsvertreter die Kontrolle über sich selbst verloren. Da brechen immer öfter plötzlich Konflikte auf; wie zuletzt infolge der türkisen Angriffe auf Beamte des grünen Gesundheitsministeriums, die Ressortchef Rudolf Anschober nur dadurch beilegen konnte, dass er klein beigab und Clemens Matin Auer opferte. Da muss man jederzeit darauf gefasst sein, dass alles aus und vorbei ist, zumal irgendwann auch die nachgiebigen Grünen nicht mehr nachgeben können.
Umso alarmierender ist die Momentaufnahme für die SPÖ: Sie profitiert nur zum Teil von der türkis-grünen Krise. Laut aktueller Umfrage von ATV und APA liegt sie mit 25 Prozent zwar deutlich über ihrem Nationalratswahlergebnis 2019 (21), aber noch immer unter ihren langjährigen Niveau und vor allem weit unter dem Stimmenanteil der ÖVP (35 Prozent).
„Das ist doch immerhin eine Veränderung in die richtige Richtung“, könnte ein Sozialdemokrat jetzt anmerken. Er sollte sich nichts einbilden: Man kann davon ausgehen, dass die SPÖ vor allem enttäuschte Grüne zurückgewinnt, die sie unter Christian Kern vor vier Jahren schon einmal überzeugt hatte, 2019 aber wieder verlor (laut SORA kamen damals fast 30 Prozent der Grünen-Wähler von der SPÖ). Das reicht jedoch nicht: Die ÖVP verliert relativ wenig, die FPÖ gewinnt ein bisschen (jeweils gegenüber 2019), in Summe bleibt damit eine Mitte-Rechts-Mehrheit bestehen.
Das Problem der SPÖ ist, dass sie es nicht und nicht schafft, frustrierte Blaue und Türkise in nennenswerter Zahl anzusprechen. Das wäre jedoch die Voraussetzung dafür, dass sie jemals wieder vom Kanzleramt träumen könnte. In diesem Zusammenhang muss man nicht das Beispiel Flüchtlingspolitik strapazieren. Stärker ist längst die Pandemie und das unglückselige Krisenmanagement, das damit einher geht. Wobei letzteres von SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner interessanterweise kaum thematisiert wird. Sie konzentriert sich darauf, auf Basis ihrer fachlichen Kompetenzen als Medizinerin Alternativvorschläge zur Bekämpfung des Infektionsgeschehens zu machen. Das kann man als konstruktiv bezeichnen. Es ist gewissermaßen aber auch selbstlos: Politisch hat Rendi-Wagner, hat die SPÖ nämlich nicht viel davon.
These: Gerade Mitte-Rechts-Wähler sehnen sich nach „Normalität“. Das mag naiv, verantwortungslos und bisweilen auch dumm sein, es ist aber so. Politisch reagieren kann man darauf zum Beispiel wie De-facto-FPÖ-Obmann Herbert Kickl, indem man den Leuten einredet, dass alles nur Lug und Trug sei und es in Wirklichkeit nur eine ganz normale Schnupfenwelle gebe. Oder indem man ablenkt wie Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und den Leuten etwas ganz anderes bietet, was ihnen ebenfalls gefällt („die EU ist an allem schuld“-Botschaften).
Oder indem man eine Perspektive eröffnet bzw. ein Programm anbietet, das Hoffnung auf eine gute Zukunft macht. Das könnte die Bereitschaft, gewisse Beschränkungen möglicherweise nur widerwillig, aber doch, hinzunehmen, stärken. Unter Umständen sogar kontraproduktiv ist es dagegen, ausschließlich zu appellieren, noch mehr zu Hause zu bleiben, weniger Freunde zu treffen etc.
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