Schwarz-Blau: So werden’s keine zehn Jahre

ANALYSE. ÖVP und FPÖ sind dabei, sich ihre Koalition ausschließlich selbst zu beschädigen und im Übrigen auch noch unnötige Risiken für die Zukunft einzugehen.

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ANALYSE. ÖVP und FPÖ sind dabei, sich ihre Koalition ausschließlich selbst zu beschädigen und im Übrigen auch noch unnötige Risiken für die Zukunft einzugehen.

Die Angelegenheit war bereits erledigt. Zumindest für ÖVP-Europasprecher Reinhold Lopakta: FPÖ-Wehrsprecher Reinhard Bösch hatte zu seiner Zufriedenheit „klargestellt“, dass es ihm nie darum gegangen sei, einen gewissen Raum für Flüchtlinge in Afrika militärisch einzunehmen; er habe lediglich vorgeschlagen, diese „Anlandeplattformen“ durch Sicherheitskräfte zu schützen. Wenig später war Lopatka ganz schön blamiert. Bösch sowieso: Laut einem Tonbandprotokoll (> VOL.AT) hatte er in dem Interview mit der Neuen Vorarlberger Tageszeitung sehr wohl erklärt, „natürlich mit militärischen Kräften einen Raum in Besitz nehmen“.

Wiederholen sollten sich solche Vorfälle nicht in der Koalition. Sonst wird es für eine der beiden Partei auf Dauer unmöglich, die Zusammenarbeit fortzusetzen: Entweder lässt sie sich mit beschädigen, wie es Lopatka in diesem einen Fall passiert ist. Oder sie drückt irgendwann auf die Stopp-Taste.

Die Belastungsproben haben sich zum Auftakt der Herbstarbeit jedenfalls gehäuft: Nach dem Kniefall von Außenministerin Karin Kneissl (FPÖ) vor dem russischen Präsidenten Wladimir Putin, muss sich Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) in der Ukraine höchstpersönlich um Schadensbegrenzung bemühen. Soweit dies eben möglich ist: Die USA haben die Kurz`sche Brückenbauerfunktion nach dem Hochzeitstanz bereits hochoffiziell in Frage gestellt.

Und dann wäre da noch die BVT-Affäre, die mit dem Untersuchungsausschuss für die Koalition schon am ersten Tag sehr, sehr unangenehm fortgesetzt worden ist: Auskunftspersonen verfestigten den Eindruck, dass FPÖ-Innenminister Herbert Kickl in einem hochsensiblen Sicherheitsbereich in Wildwestmanier vorgehen ließ. Was auch von daher böses Blut in den betroffenen ÖVP-Reihen auslösen musste: Nicht nur, dass das Ressort zuletzt von Leute wie Nationalratspräident Wolfgang Sobotka und NÖ Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner geführt und damit auch verantwortet worden war, sie haben darüber hinaus wichtige Posten mit loyalen Leuten besetzt, die nun mit sich umspringen lassen müssen, wie man sich das bisher kaum vorstellen konnte.

Kickl räumt nicht in einer sozialdemokratischen Bastion auf, sondern in einer schwarzen.

Die BVT-Affäre ist auch in dieser Hinsicht so bemerkenswert: Kickl räumt nicht in einer sozialdemokratischen Bastion auf, sondern in einer schwarzen; in einer also, die dem Koalitionspartner zuzuordnen ist. Vergleichbares gibt es in keinem anderen Ministerium. Sprich: So schlecht wie schwarzen Beamten dürfte es roten summa summarum kaum gehen. Hausdurchsuchungen und solche Aktionen sind bei ihnen jedenfalls nicht bekannt.

All das ist selbstverständlich eine Belastung für die Koalition, die auf zehn Jahre angelegt ist. Wirklich gefährlich werden könnte ihr aber noch etwas ganz anderes. Und damit ist jetzt nicht die Opposition oder eine zivilgesellschaftliche Bewegung gemeint. Zum Verhängnis werden könnte ÖVP und FPÖ vielmehr die große Schwäche, sich ganz auf symbolische Maßnahmen, wie die Kürzung der Mindestsicherung, auf der einen und ein großes Entlastungspaket auf der anderen Seite zu beschränken. Leisten können sie sich das nur dank der guten Konjunkturlage, die höhere Einnahmen und geringere Ausgaben mit sich bringt. Unter diesen Umständen ist ausgeglichen Budgetieren quasi ein Selbstläufer, da ist noch dazu mehr als genug Spielraum für alles mögliche vorhanden.

In schlechteren Zeiten ändert sich das jedoch: Da reichen ausschließlich gekürzte Steuern und Sozialversicherungsbeiträge für dann wieder höhere Ausgaben plötzlich hinten und vorne nicht mehr aus. Umso verwunderlicher, dass die Koalitionsparteien keine Pensions-, Gesundheits- und Pflegereformen durchführen, sondern den Kollaps riskieren.

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