Schwarz-Blau IV

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ANALYSE. In Vorarlberg hat eine schwarze Volkspartei weniger verloren als zuletzt türkise in anderen Ländern. Auch hier wird sich die ÖVP jedoch mit der FPÖ zusammentun. Damit setzt sich eine politische Akzentverschiebung fort.

„Ich halte es für einen Fehler, dass in den letzten Jahren versucht wurde, Extreme und Fehlentwicklungen dadurch zu bekämpfen, dass man sich an die Ränder anbiedert und deren Politik kopiert. Damit wird die Mitte verlassen, der Zusammenhalt der Gesellschaft aufs Spiel gesetzt und damit geht jede Glaubwürdigkeit verloren.“

Sprach Othmar Karas fast auf den Tag genau ein Jahr vor der Landtagswahl in Vorarlberg am 13. Oktober 2024. Freiheitliche haben ihren Stimmenanteil hier auf 28 Prozent verdoppeln können. Umso bemerkenswerter ist, dass die ÖVP „nur“ um gut fünf Prozentpunkte auf 38 Prozent zurückgefallen ist. Klar: Ein Verlust und das schlechteste Ergebnis, das sie auf dieser Ebene jemals erzielt hat.

Andererseits aber hätte es nach herkömmlichen Mustern wesentlich übler kommen „müssen“ für die Volkspartei. Und zwar aus zwei Gründen: Zunächst wäre es allein schon aufgrund des Abschneidens der FPÖ nahliegend gewesen. Zum anderen haben Landeshauptmann- und Landeshauptfrau-Parteien zuletzt in Prozentpunkten wesentlich größere Einbußen erlitten. In Niederösterreich: minus zehn. In Kärnten: minus neun. Und in Salzburg: minus siebeneinhalb.

Vorarlberg fällt ein bisschen aus dem Rahmen. These: Er hat unter anderem auch damit zu tun, dass die ÖVP dort zwar gerne vom Sebastian Kurz-Hype profitiert hat in der Vergangenheit, im Vergleich zu anderen Bundesländern aber weniger zum rechtspopulistischen Türkisen-Kurs übergegangen ist, sondern eher versucht hat, schwarz zu bleiben.

Dass sie im Übrigen zwar ebenfalls ihre Affäre hatte (es ging um Inseratengeschäfte des Wirtschaftsbundes), ebendiese aber nicht ganz so ohne Konsequenzen ließ, sich nicht ausschließlich auf eine Abwehrrolle zurückzog, wie es die Bundespartei in Person von Andreas Hanger oder Karoline Edtstadler (Stichwort Zitierverbot) in ihrem Fall tut. Zumindest darf die öffentliche Hand im Ländle etwa keine Deals mehr zugunsten von Parteimedien machen. Das ist nicht nichts.

Auch die Vorarlberger ÖVP hat Themen, mit denen Freiheitliche punkten, aufgegriffen, den Leuten signalisiert, dass sie sie ernst nimmt. Sie hat sie jedoch anders behandelt. Bundesweit Schlagzeilen gemacht hat etwa ein Kodex, den Geflüchtete unterzeichnen müssen. Er ist immerhin so ausgestaltet, dass an der Präsentation auch die Caritas mitwirkte. Zumal auf plumpe Signale verzichtet wurde und es nicht nur um Fordern, sondern auch um Fördern geht.

Die Vorarlberg-Wahl ist für die Bundes-ÖVP ein Hinweis: Vielleicht erzielt man mit einer weniger unglaubwürdigen Mitte-Politik nicht gar so üble Wahlergebnisse wie mit allzu plumpen Versuchen, rechtspopulistisch zu agieren und sich an den Rändern einfach nur anzubiedern, um es mit Othmar Karas zu sagen.

Für die Grünen ist es eine einzige Katastrophe, in Vorarlberg nicht nur relativ, sondern (mit über sechs) auch in Prozentpunkten stärker verloren zu haben als die ÖVP, ja ein Drittel ihres bisherigen Stimmenanteils von knapp 19 Prozent eingebüßt zu haben. Die Partei wird sich bundesweit neu aufstellen müssen, sich überlegen müssen, wie sie trotz multipler Krisen noch Unterstützung für Klimapolitik etwa gewinnen kann.

Sie wird das aus der Opposition heraus tun müssen. Auf Bundesebene, aber wohl auch in Vorarlberg. Das ist das letzte Bundesland, in dem sie voraussichtlich aus einer Koalition fliegt.

Das nämlich unterscheidet Schwarze nicht von Türkisen: In äußerten Westen stehen die Zeichen auf ÖVP-Zusammenarbeit mit den Freiheitlichen. Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) sieht einen Veränderungswunsch in der Wählerschaft; er scheint zu glauben, dem eher nur mit der FPÖ entsprechen zu können. Jedenfalls nicht mit den Grünen, die er nicht zuletzt aufgrund ihrer Verkehrspolitik ablehnt.

Wie Johanna Mikl-Leitner in Niederösterreich oder Wilfried Haslauer in Salzburg tickt Wallner im Übrigen so, dass er mit dem zusammengeht, an den seine Partei die meisten Wähler verloren hat oder der grundsätzlich am stärkten zugelegt hat. Damit glaubt er, eine Politik machen zu können, die offenbar von größeren Teilen der Wählerschaft gewollt wird.

Damit setzt sich alles in allem eine Akzentverschiebung in der österreichischen Politik fort: Vorarlberg ist das vierte Bundesland mit einer Regierungszusammenarbeit von ÖVP und FPÖ. Bald wird die Steiermark dazukommen. Das macht was. Es geht auf Kosten grüner, pinker und sozialdemokratischer Ansätze, in welchem Bereich auch immer. Und es geht letzten Endes auch hin zu einer solchen Koalition auf Bundesebene.

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