Sachslehner richtet’s an

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ANALYSE. Je größer die Herausforderungen werden, desto peinlicher wird’s in der österreichischen Politik und desto mehr läuft es auf einen Kampf des Kampfes wegen hinaus.

Wo soll man anfangen? Beim Bundeskanzler, der am Wochenende auf die weltbewegenden Entwicklungen in Russland mit der Botschaft antwortete, dass man keine innerrussischen Auseinandersetzungen zulassen werde auf österreichischem Boden; was insofern beunruhigend ist, als man bis heute nicht weiß, worauf er anspielte? Oder auf den Innenminister, der Asyl für Söldnerführer Jewgeni Prigoschin erst ausschloss, nachdem jemandem in seiner Umgebung eingefallen war, dass es ein Einreiseverbot gibt für diesen?

Oder beim bisherigen Vorstand der Tiroler Zillertalbahn, der zu Unrecht einen Doktortitel führte? Wobei es diese Anekdote gibt: 2019 überreichte der Mann dem damaligen Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) „seine Dissertationsschrift“ zum Thema Wasserstoff. Und Kurz ließ sich dabei gerne mit Landeshauptmann, Wirtschaftsministerin und Wirtschaftsbundchef an seiner Seite fotografieren, war das doch sein Wahlkampfthema. Bloß: Die Schrift war „fake“, ganz sicher nicht die Dissertationsschrift des Mannes. Was dieser zuletzt als solche ausgab, war laut „Tiroler Tageszeitung“ offenbar ein Übersetzungsplagiat einer 2020 in Deutschland genehmigten Arbeit.

Fangen wir bei der ehemaligen ÖVP-Generalsekretärin und nunmehrigen Wiener Gemeinderätin Laura Sachslehner an. Sie hat gute Chancen auf eine größere Zukunft in ihrer Partei, vergisst sonntags nicht, in einem Tweet darauf hinzuweisen, dass sie einen katholischen Gottesdienst besucht hat, und wirbt montags für eine Initiative, wonach es bei Förderungen immer auch einen „Marxismus-Check“ geben solle. Unter dem Motto: Währet den Anfängen. Zumal der neue SPÖ-Vorsitzende eine Lenin- und eine Marx-Büste besitze und man ja wisse, „dass eine politische Orientierung auf Lenin die unbedingte Feindschaft zum demokratischen Rechtsstaat bedeutet“.

Mal ein etwas anderer Tweet hier. Ich komme gerade aus der Harmoniemesse in der Augustinerkirche & bin tief beeindruckt sowohl von dem Orchester als auch von der berührenden Predigt. Immer wieder schön zu erleben, welch großartige Kulturgüter es in unserem Land gibt. pic.twitter.com/zop2UCFIoR

— Laura Sachslehner (@l_sachslehner) June 25, 2023

Das, wofür Laura Sachslehner steht, ist richtungsweisend für die österreichische Politik. Das sollte man sehen. Gerade auch dann, wenn es einem nicht gefällt: Regierende versuchen darüber hinwegzutäuschen, dass sie mit gegenwärtigen Herausforderungen (nachvollziehbarerweise!) heillos überfordert sind. Sie machen dabei aber alles nur noch viel schlimmer, weil sie eine Art „Strategisch notwendigen Unsinn“ nach dem anderen verbreiten, wie den Hinweis auf innerrussische Auseinandersetzungen auf österreichischem Boden oder die Sache mit dem Wasserstoff, die sich letztlich auf so absurde Weise von selbst richtete.

Das führt zu nichts, ist am Ende nur blamabel. Sachslehner geht daher einen Schritt weiter: Sie steht für ein Scheingefecht. Wenn man sich selbst durch eigenes Reden und Tun nicht mehr behaupten kann, versucht man es demnach eben, indem man sich an einem politischen Gegner abarbeitet.

Die Aufstellung ist klar: Im Sinne von Kurz macht Sachslehner den Freiheitlichen Konkurrenz in der rechtspopulistischen Ecke. Das ist nicht neu für sie. Neu ist nur, dass sich das jetzt durch Andreas Babler an der SPÖ-Spitze sichtbarer machen lässt. Zumal es in einem ländlichen Österreich noch immer so ist, dass alles, was Links ist, überhaupt das Übelste ist. Und zumal Babler mit seinem Bekenntnis zu Marx, seinem Ruf nach einer Vermögensbesteuerung und seiner Absage an Türkise wie Blaue klar gemacht hat, dass er ein Linker ist.

Spannend wäre natürlich ein inhaltlicher Streit darüber, was Andreas Babler will. Abgesehen davon, dass er vieles erst präzisieren muss und dass ein Streit voraussetzen würde, dass es zum Beispiel auch türkise Standpunkte geben müsste, die über ein paar Überschriften hinausgehen, besteht daran jedoch kein Interesse beim Typ Sachslehner. Mit extrem Extremen hat er abgesehen davon eigentlich überhaupt kein Problem. Siehe Regierungszusammenarbeit mit Rechtsextremen in Niederöstereich. Dieser Typ will ausschließlich einen von Gehässigkeiten geprägten Kampf um des Kampfes wegen.

Übrig bleibt verbrannte Erde, auf der eine Zusammenarbeit von ÖVP und SPÖ in absehbarer Zeit schwer bis undenkbar wird.

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