Rendi-Wagners hoher Pyrrhussieg

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ANALYSE. Die Mitgliederbefragung führte zu einem Ergebnis, das für Ludwig, Doskozil und ein paar andere Genossen geradezu demütigend ist.

Noch am Vortag hatte der Wiener Bürgermeister Michel Ludwig gemeint, eine Latte setzen zu müssen: Schöner als eine einfache Mehrheit für den Verbleib von SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner bei der Mitgliederbefragung wäre demnach eine Zweidrittelmehrheit gewesen. Ha! Über 70 Prozent hat sie geschafft. Doch auch Burgenlands Landeshauptmann Hans Peter Doskozil war sich nicht zu blöd, unmittelbar vor Bekanntgabe des Ergebnisses daran zu erinnern, dass er die Vertrauensfrage überflüssig findet. Mein Gott! Über 40 Prozent haben daran teilgenommen. Das klingt nach wenig, ist es angesichts der Umstände jedoch nicht: Wenn es sich trotz der Vorbehalte von angeblich populären Genossen wie Doskozil, vor allem aber der alles-andere-überschattenden Coronakrise vier von zehn mehr schlecht als recht organisierten Parteimitglieder nicht nehmen lassen, ihre Stimme abzugeben, dann ist das beachtlich.

Was aber hat Rendi-Wagner davon? Vereinfacht ausgedrückt hatte sie bisher drei Probleme: Erstens prominente Parteifreunde wie Ludwig und Doskozil, die schon seit ihrer Kür zur Parteivorsitzenden wenig begeistert von ihr sind und das auch bei jeder Gelegenheit zum Ausdruck bringen. Zweitens Mitbewerber, die große Themen wirkungsvoller bearbeiten können. Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) Flüchtlinge, Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) Klima und Kurz-Kogler die bisherige Gesundheitskrise. Drittens eigene Unzulänglichkeiten, große Themen wirkungsvoll zu kommunizieren. Wobei man gleich auch einen Unterpunkt hinzufügen muss: Kommunikation ist ganz grundsätzlich keine Stärke von Rendi-Wagner. Siehe ganz besonders die für sie bittere Rede, in der sie im vergangenen Jahr das Misstrauensvotum gegen Sebastian Kurz begründete. Das war eher schon ein Beitrag zu seinem späteren Triumph.

Bei diesen drei Punkten hat sich aufgrund des Befragungserfolgs nicht viel geändert für die SPÖ-Vorsitzende. Es ist eher nur eine Genugtuung für sie. Ludwig und Doskozil, aber auch Franz Schnabl (NÖ) und Georg Dornauer (T) haben jetzt einmal Pause. Sie abzulösen ist auf absehbare Zeit unmöglich. Ja, sie eignet sich nicht einmal dafür, im Falle einer SPÖ-Niederlage bei der Wiener Gemeinderatswahl im Oktober als Hauptverursacherin geopfert zu werden, weil sie angeblich alles falsch mache und damit quasi auch parteischädigend sei. Zu viele Funktionäre haben nun zu deutlich einen gegenteiligen Befund ausgestellt. Rendi-Wagner ist von der Basis quasi unkündbar gemacht worden.

Andererseits aber sind die Herren nicht so gestrickt, dass sie einfach ins Pro-Rendi-Wagner-Lager wechseln. Gekränkt werden sie eher noch lästiger für sie werden, wo sie nur können. Sie werden sich rächen.

Vor allem aber bleibt die große Challenge für die 48-Jährige: Die Themenlage (Gesundheitsversorgung, Arbeitslosigkeit, Steuergerechtigkeit) mag von der Papierform her erstmals seit langem wieder im Sinne der Sozialdemokratie sein. Abgesehen davon, dass sie noch erfolgreich von Kurz und Kogler bespielt wird, hat man beim erwähnten Misstrauensvotum gegen Kurz jedoch gesehen, dass das nichts heißt. Rendi-Wagner muss vielmehr erst so überzeugend, ja begeisterungsfähig vermitteln, warum sie die besseren Angebote für die Menschen hat, dass die SPÖ irgendwann wieder in die Nähe von Platz eins kommt. Wirklich retten als Parteivorsitzende kann sie sich letzten Endes nämlich nur, wenn sie einen Wahlsieg liefert.

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