ANALYSE. Unfreiwillig, aber doch stärken Christiane Hörbiger und Kurier-Chefredakteurin Salomon die SPÖ-Vorsitzende. Zumindest Stammwähler werden nun eher mobilisierbar sein.
Pamela Rendi-Wagner hat die SPÖ als Vorsitzende nicht neu ausrichten können. Im Gegenteil, die Nationalratswahl schon in diesem Herbst kommt zu früh für sie. Also bleibt ihr nichts anderes übrig, als Stammwähler anzusprechen. Folglich liegt die Partei in Umfragen dort, wo sie sich befindet: bei 20 bis 23 Prozent. Darauf kommt man auch, wenn man eine schlichte Rechnung anstellt: 2017 erreichte die SPÖ 26,9 Prozent. Das hatte allerdings zwei Gründe: Christian Kern bemühte sich um einen neuen Kurs („Plan A“) und damit auch um neue Wählerinnen und Wähler. Dabei half ihm nicht zuletzt die Grünen-Krise. Ergebnis: Laut SORA wechselten 161.000 „Grüne“ zur SPÖ. Ohne sie wäre die Partei bei 23,7 Prozent gelandet. Der Punkt ist nun folgender: Mit dem Comeback der Grünen und ohne entsprechende Angebote muss die SPÖ damit rechnen, diese Leute wieder zu verlieren – und sich eben den 20 bis 23 Prozent anzunähern.
Die Anrede der SPÖ-Klientel durch Rendi-Wagner läuft auf Hochtouren. Wichtigstes Thema daher: Pensionen. Sie fordert nicht nur eine sozial gestaffelte Pensionserhöhung, wie dies auch ÖVP und FPÖ tun, sondern 50 Euro extra für Eltern. Oder der Mindestlohn von 1700 Euro netto pro Monat. Er könnte nicht nur zu Aktivzeiten zu mehr Einkommen führen, sondern (aufgrund zusätzlicher Ansprüche, die damit erworben werden) auch im Alter. Mit auf der Agenda steht zudem eine Pflegesicherung über eine Millionärssteuer, womit der Bogen zu sozialer Gerechtigkeit gespannt wäre, wie sie sich die SPÖ vorstellt.
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Das Problem von Rendi-Wagner bei alledem ist freilich, dass es gar nicht mehr einfach ist für eine Sozialdemokratie, mit einem solchen Programm zu punkten. Die ÖVP hat sich unter Sebastian Kurz zu einer ernstzunehmenden Mitbewerberin entwickelt: Sie gibt sich populistisch ganz im Sinne „echter“ Österreicherinnen und Österreicher, würde also nie zu einer Pensionssicherungsreform schreiten; im Gegenteil, sie, die einst den Leistungsgedanken gepredigt hat, ist mit der FPÖ gerade zu einer außertourlichen Anhebung der Ausgleichszulagenrichtsätze bzw. der Mindestpensionen geschritten.
Für Rendi-Wagner besteht jedoch Hoffnung. Zwei Frauen haben ihr gerade tatkräftig geholfen. Zunächst war da die Schauspielerin Christiane Hörbiger, die in einem ÖVP-Video in propagandistischer Manier suggeriert, Sebastian Kurz habe die Republik vor eineinhalb Jahren von ganz üblen Kräften befreit und sie, Rendi-Wagner, habe mit dem Misstrauensvotum gegen das Kabinett Kurz die gesamte Republik wiederum an den Abgrund geführt. Das war alles in allem wohl etwas zu dick aufgetragen – und trägt zu einer verschärften Polarisierung bei. Sprich: Verbliebene Anhängerinnen und Anhänger der SPÖ-Vorsitzenden sind das jetzt nicht weniger, sondern eher mehr.
Wie von der SPÖ bestellt lieferte am Tag nach Hörbiger die Chefredakteurin des „Kurier“ einen weiteren Beitrag dazu: Alles andere als beißende Kritik aus ihrem Munde nach dem ORF-Sommergespräch mit Rendi-Wagner hätte Sozialdemokraten irritieren müssen. Was Martina Salomon im ZiB2-Interview sagte, war jedoch derartig untergriffig, dass Rendi-Wagner sogar von einem Solidarisierungseffekt ausgehen kann – zumal die Geschichte auf sozialen und anderen Medien groß aufgeht. Zur Erinnerung: „Ich glaube ihr kein Wort“, so die bürgerliche Blattmacherin ganz nebenbei dazu, dass die SPÖ-Vorsitzende berichtet hatte, vor wenigen Tagen ein Cordon Bleu gegessen zu haben: „So wie sie ausschaut, wird sie sich eher nur von ein paar Salatblättchen ernähren.“