ANALYSE. Die SPÖ-Vorsitzende misstraut dem Prüforgan des Nationalrats. Das ist merkwürdig, vor allem aber aufklärungsbedürftig. Im Raum stehen bleiben kann es jedenfalls nicht.
Dass der Rechnungshof die Parteifinanzen kontrollieren könnte, geht SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner zu weit. Begründung: Das sei eine staatliche Institution. Wobei genau dies mitschwingt: Diese Institution hat eine parteipolitische Schlagseite. Das ist ein schwerwiegender Vorwurf. Merkwürdig nur: Wenn das zutrifft, dann hat die SPÖ das ganz maßgeblich zu verantworten. Vor allem aber: Das kann so nicht im Raum stehen bleiben.
Doch eines nach dem anderen: Der Rechnungshof ist genau genommen ein Organ des Parlaments. Im Sinne der Gewaltentrennung steht er von daher auf einer anderen Seite als es Regierung und Verwaltung tun. Darüber täuscht Rendi-Wagner mit ihrer Darstellung hinweg. Außerdem: Im Sinne dieser Konstruktion sollten naheliegenderweise Oppositionsvertreter den Präsidenten oder die Präsidentin stellen.
Zum letzten Mal praktiziert worden ist das jedoch 1980. Ja, vor bald 40 Jahren: Damals wurde der ehemalige Landesparteiobmann der FPÖ Wien, Tassilo Broesigke, zum Rechnungshofpräsidenten gewählt. 1992, als es um seine Nachfolge ging und die SPÖ zumindest noch größere Regierungspartei war, änderte sich das jedoch: Mit Franz Fiedler wurde der ehemalige Klubsekretär des Koalitionspartners ÖVP zum Rechnungshofpräsidenten gekürt. Und 2004 wiederum Josef Moser, der ehemalige Direktor des freiheitlichen Parlamentsklubs; die FPÖ war damals Teil der schwarz-blauen Koalition.
2016, als es wieder eine von der SPÖ-geführte Regierung mit ÖVP-Beteiligung gab, kam eine Frau zum Zug, die aus der Volkspartei kam: Margit Kraker, zuvor unter anderem führende Mitarbeiterin des Landtagsklubs der steirischen ÖVP. Wobei ebendies bemerkenswert ist: Nominiert wurde sie von ÖVP und SPÖ. Auf Wikipedia ist dazu vermerkt: „Dies entfachte einen Sturm der Empörung seitens der Opposition, die Neos sprachen von „mieser Packelei“, die damalige Grünen-Chefin Eva Glawischnig gab sich sehr irritiert, das Team Stronach gab zu bedenken: „Die Optik ist keine gute.“ Und Heinz-Christian Strache von der FPÖ vermutete einen Deal im Zusammenhang mit der im August 2016 anstehenden Wahl des ORF-Generaldirektors.“
An dieser Stelle muss nun festgestellt werden, dass die erwähnten Rechnungshofpräsidenten durchaus überparteiliche Jobs gemacht haben bzw. machen. Zum Abschied von Fiedler aus dem Amt vermerkte „Der Standard“ 2004 zum Beispiel dies: „Vom getreuen Sekretär des damaligen VP-Klubobmanns Alois Mock im Jahr 1980 ist nicht mehr viel zu spüren. Rechnungshofpräsident Franz Fiedler hat sich längst von der ÖVP emanzipiert und ist für diese mitunter zu einem recht unangenehmen Zeitgenossen geworden.“
Was aber halt schon der Fall ist, ist dies: Auffallend ist, dass die Rechnungshofpräsidenten sehr ähnliche Biographien aufweisen und ihre parteipolitische Herkunft erst überwinden mussten. Das war und ist ein gewisses Handicap. Bemerkenswert ist im Übrigen eben, dass sie schon lange nicht mehr aus den Reihen der Opposition kommen und dass dieser Bruch wie ausgeführt von der SPÖ mitverschuldet wird.
Warum also regt sich Pamela Rendi-Wagner nun so auf? Die Antwort darauf ist nicht sehr freundlich für sie. Wichtiger noch ist jedoch diese Frage: Rendi-Wagner stellt in den Raum, dass man dem Rechnungshof nicht trauen kann, dass er quasi parteipolitisch durchsetzt ist. Das kann man nicht so stehen lassen. Rendi-Wagner selbst ist gefordert, nachzulegen: Wie ist das konkret gemeint? Wo ist die Sondersitzung des Nationalrats zu diesem Thema? Klar ist nämlich: Wenn der Rechnungshof zum Beispiel ÖVP-freundlich wäre, wären „Checks and Balances“ in Österreich in einer demokratiegefährdenden Art und Weise gestört. Anders ausgedrückt: Rendi-Wagner muss das, was sie da vermittelt, aufklären und belegen. Oder zurücknehmen.