Pulverisierte Mitte

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ANALYSE. Die Salzburg-Wahl steht für eine Zäsur: Sowohl ÖVP als auch SPÖ, Grüne und Noes haben verloren. Gewonnen haben Extreme. Kein Wunder.

„Wenn die ÖVP abstürzt, gewinnt die SPÖ.“ Auf Bundesebene scheinen das manche Sozialdemokraten noch heute zu glauben. Als würde es sich um ein Naturgesetz handeln. In Hochphasen der FPÖ sieht man jedoch, dass es kein solches ist. Eher noch galt bisher dies: Wenn ÖVP und SPÖ verlieren, können Grüne und Neos nur gewinnen. Zu wesentlichen Teilen sind immerhin beide aus diesen entstanden. Doch auch damit ist es vorbei.

In Salzburg haben nun alle vier Parteien Stimmenverluste verzeichnet. In Summe handelte es sich um rund 14 Prozentpunkte. Gut die Hälfte entfiel auf die ÖVP. Die Neos sind sogar aus dem Landtag geflogen – in Salzburg, einem alles in allem durchaus bürgerlichen, weltoffenen und wirtschaftsorientierten Bundesland.

Selbst wenn man berücksichtigt, dass es immer auch auf die politischen Akteure und das ankommt, was sie liefern, steht das Wahlergebnis für eine Zäsuer. Die Mitte ist pulverisiert.

Als ÖVP-Chef hat sich Wilfried Haslauer in der Vergangenheit wohlwollend gegenüber Sebastian Kurz und Türkisen geäußert, ist aber ein Schwarzer geblieben. Zuletzt hat er sich klar gegen das gestellt, worauf sich seine Parteifreundin Johanna Mikl-Leitner in Niederösterreich eingelassen hat. Eine Deutschpflicht in Schulpausen lehnt er ab – als Dummheit.

Haslauer steht für einen bürgerlichen Rest in der ÖVP. Viel ist da nicht mehr, und auch dieser Rest ist bedroht: Stand heute müssen auch Markus Wallner in Vorarlberg und Christopher Drexler in der Steiermark mit Wahlniederlagen rechnen; sie sind als nächstes dran (im Herbst 2024).

Die übrige ÖVP irrlichtert herum. Sie versucht Sebastian Kurz zu kopieren. Allen voran: Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) mit seinem gegenwärtigen Versuch, Verbrennungsmotoren zu retten.

Verloren haben daneben nun aber auch Grüne, Neos und die SPÖ: Wenn man es weit fasst, kann man sie alle zu einer Mitte zählen. Neos sowieso. Grüne beweisen es gerade in der Bundesregierung. Sozialdemokraten tun es vor allem durch Pamela Rendi-Wagner. Ihr geht sogar der Ruf nach einer Ampelkoalition zu weit. Sie hält sich jedenfalls zurück damit.

Gewonnen haben in Salzburg Extreme – einmal rechts und einmal links, die Freiheitlichen und die Kommunisten. Wobei man aufpassen muss. Gerade bei den Kommunisten: Wie in Graz haben sie ihren Erfolg einer Person (Kay-Michael Dankl) zu verdanken, der wie Elke Kahr einen Teil seines Einkommens spendet und auf Bürgerkontakte setzt.

Für den Misserfolg von ÖVP, SPÖ, Grüne und Neos bzw. den Erfolg von FPÖ und KPÖ gibt es letzten Endes eine Erklärung: Freiheitliche Erzählung, die gerade in Krisenzeiten greift, ist, dass „die da oben“ die Leute hängen lassen. Für Herbert Kickl, Marlene Svazek und Co. braucht es nicht viel mehr, um anzukommen. Sie müssen es den Leuten nur auf Augenhöhe, bei Zeltfesten oder ähnlichen Gelegenheiten, einreden. Viele fühlen sich bestätigt.

Kay-Michael Dankl bestätigt es ihnen anders. Indem er seine politische Tätigkeit auf persönliche Hilfe ausrichtet. Das kommt an. Motto: Wenigstens einer, der nicht nur redet, sondern auch handelt. Dass er so kein System verbessert und man ihm unterstellen könnte, Almosen zu verteilen, spielt keine Rolle. Es geht unter. Er bleibt vielen eine wohltuende Alternative zu Parteien und Politikern, denen kaum noch vertraut wird. Insofern ist das, was hier zum Ausdruck kommt, auch eine sehr große Krise der Politik.

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