ANALYSE. In der Steiermark büßt die ÖVP dafür, sich in den vergangenen Jahren eher nur auf den Türkisen-Hype verlassen zu haben.
Die Steiermark-Wahl an diesem Sonntag wird wohl der letzte große Urnengang sein, bei dem es hinterher heißen wird: „Eh klar, die ÖVP konnte nur verlieren.“ 2019 profitierte sie nicht nur davon, dass die Welt noch eine andere war, sondern vor allem auch vom Türkisen-Hype mit Sebastian Kurz. Wie es im Jahr davor auch die niederösterreichische Volkspartei unter Führung von Johanna Mikl-Leitner getan hatte. In ihrem Fall trug es zu einer größeren Fallhöhe nach dem Abgang von Kurz bei. Bei den Steirern könnte es nun auch so sein. Auf Bundesebene war bereits Zahltag (im Rahmen der Nationalratswahl).
Unter Sebastian Kurz haben sich viele in der ÖVP zurückgelehnt. Sie haben sich eingebildet, dass jetzt alles gut sei und sie nicht mehr an sich arbeiten müssten. Hermann Schützenhöfer, der damalige Landeshauptmann und Landesparteiobmann in der Steiermark, war ein politischer Vollprofi, seine Strahlkraft hielt sich jedoch genauso in Grenzen wie seine Ambition, eine inhaltliche Neuausrichtung vorzunehmen.
Nicht nur er hat die ÖVP 2019 jedenfalls auf Platz eins geführt im Land, es war indirekt auch Kurz bzw. der Effekt, der mit diesem einherging. Schaut man sich Wählerstomanalysen an, stellt man fest, dass der Erfolg in der Steiermark in Wirklichkeit ein relativer war: 2015, im Katastrophenjahr für Schwarze (und Rote), wanderten laut ORF/Foresight 56.000 ÖVP-Wähler zur FPÖ. 2019 schließlich, im Katastrophenjahr für die Blauen (Stichwort Ibiza-Affäre) wechselten hingegen „nur“ 38.000 FPÖ-Wähler zur ÖVP. Bei weitem nicht alle kehrten demnach also zurück – trotz freiheitlicher Krise, trotz Türkisen-Hype.
Schützenhöfer-Nachfolger Christopher Drexler ist im Sommer 2022 gestartet, als die ÖVP wieder auf sich selbst reduziert war. In einer Zeit, in der ihr auch äußere Umstände zunehmend zu schaffen machten (Teuerung etc.). Herumreißen konnte er nichts mehr. Auch weil er, der als Intellektueller gilt und sich schwertut, auf die Leute zuzugehen, keinen Draht zu denen fand, auf die es ankommt. Wie hier ausgeführt etwa Facharbeiter in ländlichen Regionen. Freiheitliche sagen Danke. Mario Kunsaek kann damit rechnen, die Partei als Spitzenkandidat in der Steiermark erstmals zur Nummer eins zu machen.
Es ist vielleicht kein Zufall, dass den geringsten Stimmenverlust nach der Kurz-Zeit jüngst die Vorarlberger ÖVP verzeichnet hat. Trotz Wirtschaftsbundaffäre. Markus Wallner und Co. haben bei aller Liebe immer Wert darauf gelegt, nicht türkis, sondern schwarz zu sein. Das könnte ihnen hinterher geholfen haben. Zumal sie vor der Landtagswahl Mitte Oktober überraschende Kampagnenkraft bewiesen, wie man sie in ihrer Partei sonst kaum noch wo findet.
Erste Post-Kurz-Wahlen wird es nach der Steiermark zwar noch geben. Im Burgenland etwa. Dort haben sich Türkise aber schon 2020 schwergetan gegen Hans Peter Doskozil (SPÖ). Und in Wien im kommenden Herbst. Dort aber hat die ÖVP keine Macht zu verlieren.
Zurück in die Steiermark. Zur SPÖ noch: Sie befindet sich schon länger im Niedergang, ist 2019 nur noch auf 23 Prozent gekommen. Auf 15 Prozentpunkte weniger als 2005. Im Industrieland. Auch ihr ist es nicht gelungen, aus günstigen Umständen etwas zu machen, was längerfristig Bestand hat.
2005 haben ihr zumindest drei Dinge geholfen, vorübergehend die Führung im Land zu übernehmen: Eine erfolglose ÖVP-Landeshauptfrau Waltraud Klasnic. Eine FPÖ-Krise (damals infolge von Schwarz-Blau I und „Knittelfeld“). Und mit Franz Voves ein eigener Spitzenkandidat, der zog. Von solchen Verhältnissen kann sie bei allen Bemühungen ihres nunmehrigen Vorsitzenden Anton Lang nur noch träumen.