ANALYSE. Wenn eine Großpartei wie die ÖVP bildungspolitisch nichts mehr will, hat sie sich aufgegeben. Ihr Minister steht dafür.
Die Presse: „Was erwarten Sie sich von der Schule im 21. Jahrhundert?“ Bildungsminister Martin Polaschek (ÖVP): „Das ist eine bildungspolitische Debatte. Dafür gibt es die Expertinnen und Experten, der Ball liegt aktuell bei ihnen. Ich bin der Bildungspolitiker, aber diese Bestandsaufnahme müssen Experten machen.“
Ende. Polaschek ist ein personifizierter Zustand: Es gab eine Zeit, da wollte die ÖVP aus Überzeugung, staatstragend zu sein, da und dort etwas verändern. Dann kam Sebastian Kurz und zog eine Show ab, wonach jetzt wirklich Großes verändert werde. Jetzt ist nichts mehr: Unter Karl Nehammer ist Aussitzen angesagt.
Das würde sogar ohne (irgendeinen) Bildungsminister funktionieren. Natürlich: Niemand ist unverzichtbar, aber Polaschek ist in seiner Funktion wirklich verzichtbar. Bei der PISA-Studie gibt es schlechte Ergebnisse für Österreich? Er findet, man habe trotz der Pandemie ein gutes Ergebnis erzielt. Verstärkter Handlungsbedarf, zumal die Bildungsschere – je nach Herkunft – immer weiter auseinandergeht? Keine Antwort.
Zur Schule im 21. Jahrhundert, das längst angebrochen ist, fällt Polaschek nichts sei. Vielleicht, weil es zu grundsätzlich ist und er mit solchen Sachen wenig anfangen kann: „Wir brauchen keine großangelegten Grundsatzdiskussionen“, diktierte er im September den „Vorarlberger Nachrichten“, und die „Presse“ ließ er damals ebenfalls wissen: „Grundsatzdiskussionen bringen nichts.“
Am ehesten ist der Steirer einer Schule des 19. Jahrhunderts zuzuordnen. Auf Puls 24 erklärte er zur Forderungen der Wiener SPÖ, Matura und Noten abzuschaffen: „Durch die Matura hat man für sich selbst einen formellen Abschluss und man kann sich als gereifte Person präsentieren.“ Als würde der Reifegrad geprüft, geschweige denn zum Ausdruck gebracht werden. Zu Noten erklärte er wiederum, sie müssten bleiben, weil: „Schüler wollen Klarheit.“
Das ist auch noch zynisch: Polaschek bedient den Mythos sogenannter Notenwahrheit, die es – wie hier vor wenigen Tagen ausgeführt – nicht gibt. Was an der einen Schule ein „Sehr gut“ ist, kann an einer anderen ein „Nicht genügend“ sein. Welche Klarheit haben also Schüler, die in dem einen Fall einen Einser und in dem anderen einen Fünfer bekommen? Exakt gar keine. Allenfalls eine Illusion.
Man muss der Politik zugestehen, dass es anspruchsvoll ist, eine Schule auf der Höhe der Zeit zu schaffen. Das Ideal hängt von sehr vielem ab, unter anderem ideologischen Zugängen. Zweitens: Veränderungen sind nicht mir nichts, dir nichts erreichbar. Aber so gar nichts wollen, so gar keinen Anspruch zu haben, das ist Selbstaufgabe.