ZAHLEN ZUM TAG. Dass die Partei erstmals bei einem bundesweiten Urnengang zu einem zweistelligen Ergebnis gekommen ist, ist weniger logisch als es erscheinen mag. Es hätte auch ganz anders kommen können.
Die Europawahl hat wieder einmal gelehrt, dass man mit Aussagen darüber, was warum passiert, vorsichtig sein muss. Die Trendprognose mag am Sonntagabend im Schnitt nur um 0,6 Prozentpunkte vom Ergebnis abgewichen sein, wenig hat in diesem Fall aber sehr viel ausgemacht. Die FPÖ blieb letztlich überraschend knapp vor der ÖVP, sie hat also doch nicht so groß triumphiert.
Dass Neos zum ersten Mal bei einem bundesweiten Urnengang mit etwas mehr als zehn Prozent zweistellig wurde, mag wiederum logisch klingen, ist es aber nicht. Natürlich war die Partei in Umfragen noch höher gelegen. Und natürlich bildet sie quasi den pro-europäischen Gegenpol zur FPÖ und hat als solcher ein Alleinstellungsmerkmal.
Wieder einmal hat Neos bei einer Wahl aber bei der Hälfte beginnen müssen. Das bedeutet, dass die Partei nur gut 50 Prozent ihrer Wähler vom letzten Mal halten konnte und daher viele neu gewinnen musste, um nicht zu verlieren. Das war etwa auch bei der Europawahl 2019 so gewesen. Damals erreichte sie fast 330.000 Stimmen. Laut Foresight/ISA-Wählerstromanalyse für den ORF kamen 89.000 aus dem bisherigen Nichtwähler-„Lager“ und 58.000 von den Grünen.
Diesmal war die Herkunft ihrer rund 350.000 Wählerinnen und Wähler breiter gestreut: 58.000 neue von der SPÖ, 47.000 von der ÖVP und 43.000 von den Grünen, ja mit 11.000 sogar ein paar Tausend von der FPÖ. Ein relativ starkes Motiv, die Neos zu unterstützen, waren ihre inhaltlichen Standpunkte. Das könnte eine Erklärung sein. Stichwort „Alleinstellungsmerkmal“.
Wichtig auch: Nur für eine Minderheit von 41 Prozent aller nunmehrigen Neos-Wähler ist die Wahlentscheidung schon länger klar gewesen. Das ist den Foresight/ISA-Wahlstagsbefragungsergebnissen ebenfalls zu entnehmen: Für 39 Prozent ist die Entscheidung erst vor zwei bis drei Wochen, für 19 Prozent erst in den letzten Tagen gefallen. Diese Anteile sind wesentlich größer als bei den übrigen Parteien.
Am kleinsten sind sie bei der FPÖ mit gerade einmal sechs bzw. fünf Prozent. Das ist ein Hinweis darauf, dass diese im Unterschied zu Neos eine sehr feste Anhänger- im Sinne von Wählerschaft hat.