Pendel schlägt von rechts weg

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ANALYSE. Während Freiheitliche verlieren, legen Grüne und Neos zu neben der ÖVP. Zeit für Sebastian Kurz, sich umzuorientieren.

Aus der amerikanischen Politik ist die sogenannte Pendel-Theorie bekannt. Sie besagt, dass sich die politische Stimmung einmal in die eine und einmal in die andere Richtung bewegt. Einmal siegen die Demokraten, einmal die Republikaner (ob und wie sehr das auch unter Donald Trump gilt, der in einer eigenen Dimension unterwegs ist, muss sich erst weisen). Wie auch immer: Auch in Österreich sind solche Bewegungen feststellbar. Und zwar besonders auf Basis der Grünen- und der FPÖ-Wahlergebnisse. Was wohl kein Zufall ist: Die einen stehen eher links, die andern klar rechts. Sie bilden quasi die beiden Extreme, wenn man sich allein auf die Parteien bezieht, die auf parlamentarischer Ebene eine Rolle spielen.

Die Freiheitlichen haben eine längere Phase hinter sich, in der sie stärker und stärker wurden. Zusätzlich angetrieben wurde diese Wachstumsphase in Folge der Flüchtlingskrise 2015. Das war das einzige und damit auch entscheidende Thema bei zahlreichen Wahlgängen. Ohne dieses Thema wären Norbert-Hofer-Bundespräsidenten-Wahlergebnisse ebensowenig erklärbar wie die freiheitlichen Landtagswahlergebnisse dieser Zeit. Teile von ÖVP und SPÖ haben darauf reagiert: Zunächst kam es zu einer schwarz-blauen Koalition in Oberösterreich und zu einer rot-blauen im Burgenland. Und dann übernahm Sebastian Kurz für die neue ÖVP freiheitliche Inhalte in türkiser Verpackung – mit bekanntem Wahlerfolg.

2019 schlägt das Pendel nicht nach links aus, aber von rechts weg: Vieles davon könnte man auf „Ibiza“ zurückführen. Das wäre jedoch zu einfach: Von der FPÖ-Krise, die damit einherging, profitierte ausschließlich die ÖVP. Dass auch die Grünen, aber auch die Neos plötzlich höher im Kurs stehen, hat eher einen ganz anderen Grund: Heute redet kaum noch jemand von Flucht und Migration. Bestimmender ist die Klimadebatte. Davon profitieren die Grünen (und die Neos insofern, als sie rechtzeitig auf Ökologisierung gesetzt haben).

Die ÖVP zwingt das zu einem Paradigmenwechsel. Zumindest dort, wo sie einen solchen noch nicht durchgeführt hat: auf Bundesebene. In westlichen Bundesländern hat sie den Wechsel– bereits vor der Flüchtlingskrise – längst vorgenommen. Ergebnis: Es hat ihr nicht geschadet. Im Gegenteil, sie hat seither bei allen Landtagswahlen zugelegt. In Vorarlberg ist Schwarz-Grün heute laut SORA-Befragung zum jüngsten Urnengang die mit Abstand beliebteste Koalitionsvariante.

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Auch auf Bundesebene zieht es neuerdings die Wähler in diese Richtung. Umfragen zufolge ist Türkis-Grün plötzlich die favorisierte Variante. Allerdings: ÖVP-Chef Sebastian Kurz muss erst reagieren darauf. Bis zuletzt hat er – wohl auch mit Blick auf gewinnbare FPÖ-Wähler – die Fortsetzung einer „ordentlichen Mitte-Rechts-Politik“ propagiert. Schon das Nationalratswahlergebnis war jedoch keine Bestätigung dafür: ÖVP und FPÖ halten zusammen mit 53,6 Prozent zwar noch immer eine Mehrheit – gegenüber 2017 ist dieser Stimmenanteil jedoch um vier Prozentpunkte kleiner geworden.

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