ANALYSE. Während Platter und Co. auch Kurz beschädigen, lässt Mitterlehner eine Gelegenheit zu einem Befreiungsschlag aus.
Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl und Tiroler Landeshauptmann Günther Platter mögen es gut gemeint haben, vergangene Woche haben sich die beiden ÖVP-Politiker aber parteischädigend verhalten: Der Ruf nach einer Aussprache zwischen Bundesobmann Vizekanzler Reinhold Mitterlehner und Außenminister Sebastian Kurz bzw. der Appell, sie sollten doch einen gemeinsamen Weg beschreiten, ist für alle Beteiligten schlecht gewesen. Was bleibt, sind zumindest drei Probleme:
- Erstens, die ÖVP befindet sich nach wie vor in einer Führungskrise.
- Zweitens, namhafte Repräsentanten trauen Mitterlehner nicht zu, sie zum Erfolg führen zu können.
- Drittens, dieselben Leute zweifeln aber auch daran, dass jetzt der geeignete Zeitpunkt für einen Wechsel zu Sebastian Kurz wäre (sonst würden sie sich klar dafür aussprechen).
Die Folge davon liegt auf der Hand: Die Führungskrise wird weiter andauern. Und damit auch die Selbstzerstörung der ÖVP – zumal Kurz eigenen Angaben zufolge wirklich nicht bereit ist, die Nachfolge zu übernehmen, und zumal Mitterlehner soeben eine entscheidende Gelegenheit verstreichen ließ, sich zu profilieren.
Der Oberösterreicher könnte die Hilflosigkeit seiner Parteifreunde ja ausnützen, wie er das rund um die Bundespräsidenten-Stichwahl Anfang Dezember getan hat. Da hat er zunächst seine Sympathie für Alexander Van der Bellen bekundet. Das trug ihm zwar Kritik aus den eigenen Reihen ein, nach dem Van-der-Bellen-Sieg war er jedoch gestärkt und setzte dann auch noch zu einer überraschend deutlichen Distanzierung von der Heinz-Christian-Starche-FPÖ an.
Letzten Ende müssen Mitterlehners „Freunde“ ja froh sein, dass er sich den Job noch antut.
Eine Fortsetzung davon hätte Mitterlehner notwendig; wobei ihm zupass käme, dass er sich das auch leisten könnte: Letzten Ende haben seine Partei-„Freunde“ im Moment ja keine Alternative zu ihm; sie müssen vielmehr froh sein, dass er sich den Job trotz all der Demütigungen noch immer antut.
Auf der Jahresauftakt-Pressekonferenz hätte Mitterlehner zu einem weiteren Befreiungsschlag ansetzen können, ging es doch um das Regierungsprogramm für die verbleibende Legislaturperiode. Da hätte er neue Themen auf die Agenda hieven, Ecken und Kanten zeigen und auch seine Kritiker mit klaren Ansagen beeindrucken können. Getan hat er es nicht. Er signalisierte vielmehr selbst zur mehrheitsfähigen Abschaffung der Kalten Progression von vornherein Kompromissbereitschaft gegenüber der SPÖ – was löblich ist im Sinne des Funktionierens der Großen Koalition, Mitterlehner als Parteichef jedoch eher schadet.