ÖVP in der Masochismusfalle

ANALYSE. Wieder einmal will die Volkspartei weh tun und nun die Mindestsicherung kürzen. Die Vorgangsweise ist verhängnisvoll für sie selbst, aber auch entlarvend. 

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ANALYSE. Wieder einmal will die Volkspartei weh tun und nun die Mindestsicherung kürzen. Die Vorgangsweise ist verhängnisvoll für sie selbst, aber auch entlarvend.

Vor 21 Jahren hat die ÖVP unter ihrem damaligen Obmann, Vizekanzler Wolfgang Schüssel, ihre große Chance gewittert, bei vorzeitigen Nationalratswahlen die Sozialdemokraten zu überholen. Also beendete sie die Große Koalition und propagierte den Schüssel-Ditz-Kurs, benannt auch nach dem seinerzeitigen Wirtschaftsminister Johannes Ditz. Bald war dieser Kurs jedoch besser bekannt für Blut, Schweiß und Tränen: Alle müssten leiden, damit das Budget saniert werden kann. Das Ergebnis ist bekannt: Zumal die Strategie dank sozialdemokratischer Gegenwehr mehr Angst und Schrecken als Einsicht verbreitete, triumphierte am Ende die SPÖ; sie legte auf 38 Prozent zu.

Viel gelernt hat die Volkspartei nicht daraus: Nach wie vor besetzt sie Themen, die sie angeht, negativ. Beispiel Flüchtlingskrise und die Aussage: „Es wird nicht ohne hässliche Bilder gehen.“ Oder seit Wochen, ja Monaten die Konzentration auf eine Kürzung der Mindestsicherung. Motto: Schluss mit der Hängematte!

Die ÖVP, die sich als Partei der Wohlsituierten und Leistungswilligen betrachtet, definiert sich also über Menschen, denen sie unterstellt, nicht dazuzugehören oder diese Verhältnisse gar zu gefährden.

Das Problem für Reinhold Mitterlehner und Co. ist, dass sie damit alles andere als Zuversicht verbreiten. Im Gegenteil, da schwingt viel eher eine Untergangsstimmung mit. Und eine solche will dann doch niemand.

Theoretisch ginge es auch anderes. Praktisch ist das aber schwer. Um bei Sozialleistungen zu bleiben: 2014 betrugen sie laut Statistik Austria 96,61 Milliarden Euro. Beziehungsweise 942 Euro pro Kopf und Monat. Gut die Hälfte fließt – beitrags- und steuerfinanziert – ins Pensionssystem, ein weiteres Viertel in die Gesundheitsversorgung und etwa ein Zwanzigstel in Sozialhilfen wie die Mindestsicherung.

Man könnte auch über Beitrags- und Steuersenkungen und mehr Selbstverantwortung diskutieren. Und in weiterer Folge über Verwaltungsreformen.

Das ist sehr viel Geld. Und daher muss immer wieder aufs Neue die Frage gestellt werden, ob es sinnvoll investiert ist. Das kann man aber auch tun, indem man nicht das „Wir müssen jemandem etwas wegnehmen“ in den Vordergrund stellt. Man könnte auch über Beitrags- und Steuersenkungen und mehr Selbstverantwortung diskutieren. Und in weiterer Folge über Verwaltungsreformen – auch bei der Mindestsicherung, wo durch die Einbeziehung von Gemeinden, Ländern, dem Bund, dem Arbeitsmarktservice und der Krankenversicherung ein unnötig kompliziertes, teures und vor allem ineffizientes System existiert.

Zu einer Bereinigung in diesem Bereich wäre es jedoch notwendig, dass die Volkspartei über sich selbst hinauswächst: Immerhin ist es nicht so einfach für sie, ganz offensichtlich überforderten Gemeinden und Ländern, wo sie noch am stärksten vertreten ist, Kompetenzen wegzunehmen.

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