ANALYSE. Auf der Volkspartei steht nicht nur Sebastian Kurz drauf. Die Kandidatenliste für die Nationalratswahl unterstreicht, dass sie ganz verschwunden ist. Wobei die guten Umfragewerte dafür sehr viel aussagen.
Ex-Nationalratspräsident Andreas Khol hat sich getäuscht. Unter Sebastian Kurz werde sich nicht viel ändern, sagte er Anfang Juli in seinen Worten: „Ich kann eine Marmelade Marmelade oder Konfitüre oder Jam oder Fruchtmark nennen. Es bleibt eine Marmelade.“ Soll heißen: Der neue Obmann mag unkonventionell sein. Und auch die Parteifarbe mag nicht mehr schwarz, sondern türkis sein. Die ÖVP bleibt jedoch die ÖVP. Und Punkt. So zumindest Khol.
Ein Irrtum, wie sich heute herausstellt: Die ÖVP ist zumindest auf Bundesebene gar nicht mehr. An ihre Stelle ist die Liste Sebastian Kurz getreten. Und selbst wenn er einmal aus der Politik ausscheiden sollte, wird es kein schnelles Zurück mehr geben – eine Zeit lang werden nämlich immer seine Leute im Nationalrat bleiben.
Zahlreiche Kandidaten, die er dafür präsentiert hat, kommen entweder nicht aus der ÖVP; oder sie tun es, stehen aber in einem starken Loyalitätsverhältnis zu ihm: Siehe Ex-FPÖ-Klubdirektor und –Rechnungshofpräsident Josef Moser, Obernball-Organisatorin Maria Großbauer, Mathematiker Rudolf Taschner. Oder eben Parteisekretärin Elisabeth Köstinger. Neben ihnen könnte es im Übrigen noch die eine oder andere Schönheits- oder Weinkönigin ins Hohe Haus schaffen. Und so weiter und so fort.
Auch Quereinsteiger können positiv überraschen. Aber das ist hier ohnehin nicht der Punkt.
Mit Kritik an solchen Leuten sollte man vorsichtig sein. Auch Quereinsteiger können positiv überraschen. Aber das ist hier ohnehin nicht der Punkt: Entscheidend ist, dass Kurz mit ihnen zunächst einmal die ÖVP abgewickelt hat. Und zwar glaubwürdig. Gerade weil er keine Parteifunktionäre und Berufspolitiker um sich schart.
Dass das wohl auch dazu beiträgt, dass die Liste Kurz in allen Sonntagsfragen zur Nationalratswahl in zwei Monaten so weit vorne liegt, sagt sehr viel aus über den Zustand der Republik: Wie groß muss die Frustration über das Bisherige sein, wenn schon allein seine Beseitigung für so viel Zustimmung sorgt? Dass es damit möglich ist, Wahlen (vorerst) ohne Inhalte und mit politisch mehr oder weniger unerfahrenen Leuten zu gewinnen? Unermesslich groß. Sonst würde jedenfalls keine (relative) Mehrheit über so viele Fragezeichen hinwegsehen.