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ANALYSE. Die ÖVP stellt in keiner größeren Stadt mehr den Bürgermeister. Und auf Bundesebene lässt sich Stocker viel kaputtmachen.

Da gewinne eher der SC Wiener Neustadt die Champions League, habe sein Vater zur Möglichkeit gesagt, dass er Bundesobmann der ÖVP werde, berichtete Christian Stocker auf dem Parteitag in seiner Heimatstadt, zu der auch der Fußballklub gehört. Es war ja wirklich unglaublich.

Da gewinnt eher der FC Dornbirn die europäische Vereinsmeisterschaft, als dass ein Sozialdemokrat Bürgermeister der 50.000-Einwohner-Stadt im äußersten Westen wird, hätte man vor wenigen Tagen sagen können: Dornbirn ist urschwarz. Bei Gemeinderatswahl kam die ÖVP hier vor 20 Jahren noch einmal einem Stimmenanteil von 60 Prozent nahe. Zuletzt blieb sie mit 34 Prozent ziemlich klar vorne – vor der FPÖ, die mit 20,7 Prozent knapp, aber doch erstmals die SPÖ hinter sich ließ (20,5 Prozent). Bei der parallel dazu stattfindenden Bürgermeister-Direktwahl schlug der bodenständige SPÖ-Mann Markus Fäßler aber den blassen ÖVP-Vertreter Julian Fässler. Es ist kaum zu glauben.

Für die Volkspartei ist es insgesamt ein bezeichnender Schlag: Erstmals in der Geschichte stellt sie in keiner der zehn größten Städte Österreichs mehr den Bürgermeister. Wien, Linz, Villach, Wels, St. Pölten – okay. Aber eben auch nicht mehr in Graz, Salzburg, Innsbruck, Klagenfurt und Dornbirn, wo sie das in der Vergangenheit zumindest zeitweise tat bzw. in Dornbirn durchgehend seit 1945.

Auf dem Bundesparteitag der ÖVP, der am Tag vor der dortigen Wahl über die Bühne gegangen war, war das naturgemäß noch kein Thema gewesen. Dort hätte man sich allenfalls mit dem absehbaren Absturz in Wien am 27. April auseinandersetzen können. Aber das hätte die Party gecrasht, die da lautete: Wir machen uns lieber etwas vor.

Karl Nehammer, der vor ein paar Monaten noch behauptet hatte, es brauche kein Sparpaket, das Wirtschaftswachstum werde es richten, wurde gefeiert.

Im Übrigen bemühte sich die ÖVP, das zu tun, was sie noch am Ehesten kann: Den Eindruck vermitteln, dass sie alles richtig mache und systementscheidend sei. Dass die Verhandlungen mit der SPÖ Anfang Jänner geplatzt waren, begründete Christian Stocker in seiner Parteitagsrede denn auch ausschließlich mit mangelndem Verhandlungswillen der SPÖ. Zur Erinnerung: Nehammer war es, der die Sozialdemokraten damals vor die Tür gestellt hatte. Er war in den eigenen Reihen unter Druck geraten, es doch mit der „Hebert-Kickl-FPÖ“ zu versuchen.

Dass es dann auch mit Kickl nicht ging, begründete Stocker an sich schlüssig. Europapolitik gehe mit dem Freiheitlichen nicht, meinte er etwa. Bloß: War das wirklich ein Problem für die ÖVP? In einem Ö3-Interview sagte er damals auf die Frage, ob es zu Blau-Schwarz gekommen wäre, wenn seine Partei das Innenministerium bekommen hätte: „Wahrscheinlich“. So arg kann das mit Europa also nicht gewesen sein.

Kickls Vorbild sei Trump, betonte Stocker weiter – und er sei gegen ein Österreich, das „vertrumpt“. Das mag man ihm durchaus glauben. Einerseits. Andererseits kann er es nicht lassen, dass die Volkspartei türkis ist, ja zieht er auf dem Parteitag nicht nur mit Karl Nehammer, sondern auch mit Sebastian Kurz in der Halle ein, der die Volkspartei türkis gemacht hat.

Beziehungsweise mit jenem Sebastian Kurz, der sich in einem „Kurier“-Interview fast zeitgleich einmal mehr als Trump-Fan inszeniert. In Europa habe man oft den falschen Eindruck, was in den USA passiere, sagt er: „Da hat Donald Trump den bislang höchste Zustimmungswerte, während die Demokraten mit unter 30 Prozent die schlechtesten Werte haben“.

Typisch Kurz: Was zählt, sind allein Umfragen. Sind sie gut, ist alles gut. Auch wenn die Demokratie den Bach runter geht und die USA „vertrumpen“. Aber das ist ja alles bekannt. Bemerkenswert ist, dass sich Stocker so gar nicht absetzt von ihm, sondern demonstrativ an seiner Seite auftritt vor hunderten Funktionären. Als wolle er von seiner Strahlkraft profitieren. Ausgerechnet er, dem gerade wegen seiner ganz anderen Art Respekt und Anerkennung gezollt wird und der sich damit daher viel kaputtmacht.

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