Nehammers größte Gegner

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ANALYSE. Eher als Kickl machen dem Kanzler drei Leute zu schaffen: Er selbst sowie Johanna Mikl-Leitner und Karl Mahrer.

In Kampagnen lässt sich Karl Nehammer gerne als besonnener Kanzler darstellen, der für Österreich arbeitet. Den größten Widerspruch dazu hat er jedoch vergangene Woche selbst geliefert: In einem sogenannten „Kanzlergespräch“, einer Art Pressekonferenz, hatte er folgendes mitzuteilen: Er werde keine Koalition mit der FPÖ eingehen, solange Herbert Kickl deren Parteichef ist.

Der Widerspruch, der gemeint ist, fällt hierzulande nicht einmal mehr auf: Der Kanzler gibt ein Kanzlergespräch im Kanzleramt und widmet sich zu 100 Prozent Parteipolitik. Zweitens: Er tut das zu einem Zeitpunkt, zu dem der reguläre Wahltermin noch mehr als ein Jahr entfernt ist. Damit signalisiert er unfreiwillig deutlich, was auch in Zeiten multipler Krisen im Vordergrund steht aus seiner Sicht: das Wohlergehen der ÖVP.

Doch weiter: Während der Kanzler eine Koalition mit Kickl ausschließt, machen seine Parteifreunde, die niederösterreichische Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner und der Wiener Landesparteiobmann Karl Mahrer nicht auf Kickl, sondern Kickl hoch zwei. Die Radikalität, mit der Mikl-Leitner gegen „Falter“-Chefredakteur Florian Klenk vorgehen lässt und mit der sie selbst über eine „Normalitätsdebatte“ versucht, die Gesellschaft zu spalten (in normale und abnormale Menschen eben); sowie die Radikalität, mit der Mahrer durch die lebenswerteste Stadt der Welt (Quelle: Economist) zieht, um Hetze gegen Ausländer (Quelle: oe24.at (!)) und jetzt auch gegen Menschen zu betreiben, die seiner Darstellung nach das Stadtbild stören, übertrifft, was man von Jörg Haider, Heinz-Christian Strache und durchaus auch von Herbert Kickl kennt.

Da kann Karl Nehammer einpacken. Er hat seine Partei nicht im Griff. Einerseits ist das seine eigene Schuld: Er hat es in den vergangenen Jahren nicht geschafft, eine Politik für eine bürgerliche Mitte zu entwerfen. Er hat unbeholfen fortgesetzt, was Sebastian Kurz vor ihm aufgezogen hat. Es ist daher nicht gutgegangen.

Mikl-Leitner und Mahrer dagegen sind „plötzlich“ dazu übergegangen, die Strategie von Kurz wiederzubeleben. Mikl-Leitner ist bis zur niederösterreichischen Landtagswahl einen „Miteinander“-Kurs gefahren. Jetzt setzt sie auf Gegeneinander. Mahrer hat zunächst versucht, sich als potenzieller Partner der SPÖ auf kommunaler Ebene gemäßigt-konstruktiv zu geben. In Wirklichkeit stand (bzw. steht) er als Nicht-Politiker jedoch für nichts. Ergebnis: Die Wiener ÖVP droht es bei einer Gemeinderatswahl zu halbieren. Sehr viele Wähler kehren wieder zur FPÖ zurück. Also versucht der Ex-Polizist Mahrer lauter und grausamer als diese zu sein.

Bezeichnend: Wie der „Standard“ berichtet, wird Mahrer derzeit von Stefan Steiner beraten. Er ist ein zentraler Mann in der politischen Karriere von Sebastian Kurz, war nach dessen Parteiübernahme 2017 Generalsekretär der ÖVP bzw. „von Beginn an an Kurz‘ Seite“, wie der „Kurier“ einmal schrieb. Im Klartext: Hier schließt sich ein Kreis.

Insofern muss man sich selbst fast schon wieder korrigieren: Richtig ist zwar, dass die ÖVP nach Kurz weniger denn je weiß, wie sie mit einer zerfallenden Mitte der Gesellschaft zurechtkommen soll; die Behauptung, Mahrer und Mikl-Leitner irrlichterten Kickl hinterher, scheint jedoch falsch zu sein. Es dürfte sich um Kurz’sche Strategie handeln, die halt in ihrer Umsetzung so wirkt wie sie wirkt, weil sie durch solche Leute betrieben wird.

Nehammers Message, dass mit Kickl kein Staat zu machen sei, wird so in jedem Fall verhagelt. In seiner Partei steckt sehr viel Kickl. Beziehungsweise: In seiner Partei tun Kickl-Darsteller alles, damit das Original am Ende gewinnt.

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