ANALYSE. In der Sozialdemokratie beginnen die „Rechtsausleger“ den Ton anzugeben. Und das stärkt Heinz-Christian Strache nur noch weiter.
Wenn es in der Politik so etwas wie Pendelbewegungen gibt, dann schwingt dieses Gewicht derzeit noch weiter nach rechts aus. Was in Österreich einiges heißen will: Eine parlamentarische Mehrheit links der Mitte hat es ja schon seit Bruno Kreiskys Zeiten nicht mehr gegeben. Doch davon entfernt sich die Republik mehr denn je: Die Grünen kommen Umfragen zufolge nicht über zwölf Prozent hinweg; dass mit Alexander Van der Bellen einer der Ihren bei der Bundespräsidenten-Stichwahl im Mai mehr als 50 Prozent erreichte, ging so gesehen spurlos an ihnen vorüber. Und die Sozialdemokratie mag sich in etwa auf dem Niveau halten, mit dem sie sich bei der Nationalratswahl vor drei Jahren begnügen musste; die Partei beginnt aber auf allen Ebenen nach rechts zu rücken.
Es ist ja nicht so, dass sich Christian Kern als neuer Kanzler und SPÖ-Vorsitzender nicht darum bemüht hätte, eine andere Geschichte zu erzählen. Das Problem ist jedoch, dass er damit nicht durchkommt: Die Republik befindet sich quasi unter einer blauen Glocke. Es gibt eine freiheitliche Hegemonie: Alles redet über die Themen, die ganz nach dem Geschmack von Heinz-Christian Strache und Co. sind. Ausländer/Flüchtlinge, Mindestsicherung, TTIP, CETA, etc. Wobei das Meinungsklima immer so eindeutig in ihrem Sinne ist, dass die Mitbewerber glauben, gar nicht mehr anders zu können, als klein beigeben zu müssen.
All das sind Zugeständnisse, die an eine Art Selbstaufgabe heranreichen.
Womit ganz besonders auch Sozialdemokraten bis hin zum Kanzler gemeint sind: Weniger Familienbeihilfe bei im Ausland lebenden Kindern (Kern); Zuwanderungsbeschränkungen (Kern), Streichung der Mindestsicherung für Flüchtlinge (Salzburgs Landesparteichef Walter Steidl), gegen Freihandelsabkommen (Kern), etc. All das sind Zugeständnisse, die an eine Art Selbstaufgabe heranreichen.
Kein Wunder: In der SPÖ steigt der Druck enorm. Das burgenländische Modell ist nicht mehr so verpönt, wie das insbesondere Wiener Sozialdemokraten gerne hätten. Im Gegenteil, auch in ihren Reihen brechen die Fronten auf. Rot-Blau ist dabei, eine Option zu werden: Wenn nach Gewerkschaftern auch Vertreter der großen Flächenbezirke darauf drängen, ist das von den (verhältnismäßig) wenigen Linken der Partei nicht mehr aufzuhalten.
Nicht zu vergessen ist freilich die mediale Komponente: Diese Entwicklungen sind auch eine logische Folge davon, dass Strache und Co. den Ton auf dem neuen Massenmedium Facebook sowie in den alten Massenmedien Krone, Heute und Österreich angeben. Sprich: Die Linke, aber auch die Mitte, haben es verabsäumt, sich um mögliche Kanäle zu kümmern, um überhaupt an die Öffentlichkeit gelangen zu können. Gut, unter Ex-SPÖ-Chef und Kanzler Werner Faymann und nach wie vor unter Wiens Bürgermeister Michael Häupl mag man versucht haben bzw. versuchen, sich auflagenstarke Boulevardmedien durch Inserate in Millionenhöhe gefällig zu halten. Das ist jedoch nach hinten losgegangen: Wer ausschließlich diese Blätter liest, muss Strache glauben, wenn er von einem drohenden Bürgerkrieg spricht.
All das ist naturgemäß ganz nach seinem Geschmack: Nicht nur, dass seine Politik bestätigt und damit gestärkt wird. Es eröffnet ihm auch ganz neue Optionen im Hinblick auf die nächste Nationalratswahl; er kann ÖVP und SPÖ als mögliche Koalitionspartner gegeneinander ausspielen. Was will er mehr?
Zur Mitte gehörte zu einem guten Teil auch die ÖVP; bisher.
Zur Mitte gehörte zu einem guten Teil bisher auch die ÖVP: Verkörpert wird sie etwa durch Vizekanzler und Parteichef Reinhold Mitterlehner. Sein Gewicht ist jedoch zu bescheiden, als dass er den Kurs prägen könnte. Darum kümmern sich schon andere; die Oberösterreicher, die sich in eine Koalition mit den Freiheitlichen verabschiedet haben, etwa; oder mehr noch Außen- und Integrationsminister Sebastian Kurz, der sich längst der Mehrheitsmeinung gefügt hat.