Mit leuchtenden Augen

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ANALYSE. Andreas Babler macht deutlich, was der SPÖ mehr denn je fehlt: Ein Mann oder eine Frau an der Spitze, die von links aus in die Mitte der Gesellschaft hinein überzeugend wirkt.  

Frei nach dem Wiener Ex-Bürgermeister Michael Häupl gibt es zwei Typen in der Politik. Das eine ist der Pragmatiker der Macht, das andere der beseelte mit den leuchtenden Augen. Dem einen kommt der burgenländische Landeshauptmann Hans Peter Doskozil nahe, dem anderen entspricht der Traiskirchner Bürgermeister Andreas Babler.

Beide stellen sich auf dem außerordentlichen SPÖ-Parteitag in Linz an diesem Samstag einer Kampfabstimmung um den Vorsitz sowie de facto auch Listenplatz eins bei der kommenden Nationalratswahl. Weil damit nichts weniger als der sozialdemokratische Kanzlerkandidat gemeint ist, wiegt umso schwerer, was gerade viral gegangen ist: Ein Mitschnitt aus einem (damals öffentlichen) Zoom-Gespräch im Jahr 2020, in dem sich Babler zur europäischen Integration äußert.

Er bezeichnet die EU darin immer wieder als „Konstrukt“. Er erklärt, dass er es „überhaupt nicht leiwand finde“. Es handle sich um ein „neoliberalistisches, protektionistisches, konkurrenzaufbauendes“ Konstrukt; und „das aggressivste militärische Bündnis, das je gegeben hat“, „schlimmer als die NATO“.

Mit dem 50-Jährigen ist es in diesem Gespräch durchgegangen. Er hat gesagt, was er sich denkt. Es ist schwer, ihn vollständig zu zitieren, weil er von einem zum anderen springt und da und dort nicht ganz klar ist, was er meint. Wobei: Unterm Strich ahnt man es. Das Seine wäre eine soziale EU, die ihre Größe nützt, um Weltmärkte zu zügeln. Er will keinen Austritt, sondern eine Veränderung. So ähnlich hielt er es zuletzt auch in seinem Programm für die Mitgliederbefragung fest.

Doch macht es die Sache besser? Man sollte sich hüten, festzustellen, dass nach Wiederveröffentlichung dieser Aussagen Hans Peter Doskozil die Kampfabstimmung auf dem Parteitag schon gewonnen habe. Es ist möglich, dass einige Funktionäre aufgrund einer breiten Kritik an Babler jetzt erst recht für diesen sind. Es ist außerdem möglich, dass andere eine Bestätigung dafür sehen, dass er für das, wovon er überzeugt ist, brennt, wie schon lange kein führender Genosse mehr.

Es gibt Leute, die finden es unfair, ihm jetzt im Lichte seiner Bemühungen, Parteivorsitzender und Kanzlerkandidat zu werden, Aussagen vorzuhalten, die er vor wenigen Jahren als politischer Mensch getätigt hat. Andererseits: Wer das werden will, was er werden möchte, muss als politischer Mensch geröntgt werden können. Man muss wissen, woran man ist.

Und diesbezüglich bestätigt sich, dass der 50-Jährige ein Beseelter mit leuchtenden Augen ist. Nach innen, also in der Partei, mag das gut ankommen. Nach außen tut es das nur begrenzt. Da wirkt es irritierend und polarisierend. Babler weiß das. Daher hat er auch schon seine Aussage, ein Marxist zu sein, zurückgenommen.

In Bezug auf die EU hat er zum Ausdruck gebracht, wie er sie wirklich findet. Gerade auch die, die ihm zustimmen, werden schon wissen, was das bedeutet: Als Kanzlerkandidat erfolgreich sein kann man so nicht. Es verstört zum einen viele, die für die Sozialdemokratie zu gewinnen wären. Aber halt so nicht. Es hat etwas Sektiererisches. Es macht im Übrigen eine Ampelkoalition unmöglich: Neos wittern die Gefahr und gehen von der ersten Sekunde an klar auf Distanz zu Babler. Sie sind gezwungen, das zu tun. Von wegen „neoliberalistische“ EU: Wenn auch nur der Eindruck entsteht, dass sie mit einem Mann zusammenarbeiten könnten, der davon spricht, verlieren sie einen guten Teil ihrer Wählerschaft.

Zumal Babler von sich aus eine Koalition mit FPÖ und ÖVP ausschließt, bleibt unter diesen Umständen nur noch Rot-Grün übrig. Abgesehen davon, dass die SPÖ dafür wirklich gut und gerne 40 Prozent erreichen müsste, was sie mit einer solchen Ausrichtung eben kaum tun wird, werden sich Grüne hüten, von vornherein eine solche Konstellation anzustreben. Eine linke SPÖ ist eine Bedrohung für sie.

Allmählich wird deutlich, welcher Schaden durch all jene angerichtet worden ist, die bis zur Mitgliederbefragung versucht haben, Pamela Rendi-Wagner als Vorsitzende zu halten, weil sie Vorsitzende ist und Doskozil zu verhindern, weil er zu weit rechts steht. Sie haben als Alternative Andreas Babler bekommen, mit dem die SPÖ ihr Profil schärfen, aber kaum je eine Regierungsmehrheit erreichen würde. Mehr denn je fehlt der Partei ein Mann oder eine Frau, die von links aus in die Mitte der Gesellschaft hinein überzeugend wirkt. Wie es einst insbesondere Bruno Kreisky getan hat. Babler verkörpert eine Illusion, dass es möglich sei, mit linker Politik zu einer linken Mehrheit zu kommen. In Österreich geht das nicht.

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