ANALYSE. Und das ist auch auf die Genossen zurückzuführen, die Pamela Rendi-Wagner um sich hat.
Der Tweet, den SPÖ-Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch am Montagabend zum ORF-Sommergespräch abgesetzt hat, ist genau genommen rufschädigend für die gesamte Sozialdemokratie; er richtet sich von selbst, er könnte aus der Giftküche einstiger FPÖ-Sekretäre wie Peter Westenthaler oder Herbert Kickl stammen: Der „Versuch“ von Moderatorin Simone Stribl, die Partei „bewusst schlecht aussehen zu lassen“ sei dank „souveräner“ Vorsitzender Pamela Rendi-Wagner daneben gegangen, so Deutsch.
Das muss man sich einmal vorstellen: Das ganze Gespräch war so, dass es von der Kronen Zeitung im morgendlichen Newsletter wenig später als unauffällig, ja langweilig dargestellt worden ist. Laut Chefredakteur Klaus Hermann gab es keine neuen Erkenntnisse, keine spektakulären Fragen, nichts dergleichen. Und Deutsch tat so, als habe Stribl rote Linien überschritten. Selbst wenn sie das getan hätte: Rendi-Wagner hätte kontern und sich dadurch profilieren können; sie hätte sich insgeheim sogar bedanken können dafür.
Dem Parteimanager ist es jedoch um etwas ganz anderes gegangen: Ablenkung. Rendi-Wagner hat nicht gestrahlt. Also vermittelte er die Botschaft, die Journalistin sei schuld daran gewesen. Alle Kritiker der türkisen „Message Control“ sollten sich das merken: Man kann nicht davon ausgehen, dass der sozialdemokratische Umgang mit freien Medien anders wäre. Journalisten gelten eher auch hier als Idioten – entweder als nützliche oder als lästige.
Auch Leute wie Westenthaler und Kickl haben bewusst damit gearbeitet: Wenn ihr Chef, Jörg Haider bzw. Heinz-Christian Strache, schlecht ausgeschaut hat, waren Medien schuld daran. Dass Deutsch diese Strategie aufgreift, sagt sehr viel aus über den Zustand der Sozialdemokratie.
Pamela Rendi-Wagner hatte schon recht, wenn sie sagte, das Wichtigste beim Corona-Krisenmanagement seien Klarheit und Sicherheit: „Die Menschen müssen sich auskennen.“ Das Chaos an den Grenzen ist zuletzt wirklich fahrlässig gewesen. Andererseits aber hat Rendi-Wagner ein Glaubwürdigkeitsproblem: Sie befindet sich mit ihrer Partei sozusagen im Trockendock; in der Oppositionsrolle muss sie nicht umsetzen, sondern kann sich darauf beschränken, zu fordern. Doch nicht einmal das klappt. Siehe die tagtäglichen Auseinandersetzungen führender Genossinnen und Genossen darüber, ob eine Arbeitszeitverkürzung sinnvoll wäre, oder ob nicht doch ein höherer Mindestlohn besser wäre. Auch das ist eine Art Chaos.
Wegen solcher Störgeräusche ruft Rendi-Wagner insbesondere den burgenländischen Landeshauptmann Hans Peter Doskozil eigenen Angaben zufolge öfter an als ihm lieb ist. Das hätte sie nicht öffentlich sagen sollen. Doskozil lässt sich dadurch offenbar nicht beirren; er stört weiter – und Rendi-Wagner kann ihn nicht stoppen. Ein Eingeständnis.
Das Dilemma der SPÖ-Vorsitzenden ist vielschichtig: Sie findet keine Botschaft, die sie zu einer echten Alternative zu Sebastian Kurz machen würde. Das liegt auch, aber nicht nur an ihr: Schon unter Werner Faymann ist die Partei inhaltlich ausgepumpt; da war nichts mehr drinnen. Keine Sozial- oder Bildungspolitik fürs 21. Jahrhundert beispielsweise. Man war einfach nur Regierungspartei und sich selbst genug als solche.
Kurz hat in der ÖVP ähnliche Verhältnisse angetroffen. Seine Antwort: Dem Volk aufs Maul schauen. Und zwar hemmungslos. Das kann, das muss man ihm vorwerfen, weil er dabei eben keine Grenze kennt. Er gewinnt damit jedoch Wahlen. Und daran verzweifeln seine Mitbewerber.
Ohne Staatsamt bzw. als bloße Oppositionsvertreterin tut sich Rendi-Wagner im Übrigen schwer, ein Loyalitätsverhältnis mit entscheidenden Genossen aufzubauen, das erstens tragfähig ist und zweitens auf Gegenseitigkeit beruht: ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian wird in der Krise plötzlich wieder vom Kanzler umworben; gemeinsam werden Pakete geschnürt; mit Kurz lässt er sich im Schweizer Haus fotografieren – allein dieses Bild erzählt der Öffentlichkeit eine Geschichte, die Rendi-Wagner nicht passen kann.
Doskozil macht türkis angehauchte Politik für eine relativ homogene Bevölkerung im Burgenland. Auch das kann Rendi-Wagner nicht gefallen. Michael Ludwig muss bei der Wiener Gemeinderatswahl im Oktober schauen, dass er den Freiheitlichen möglichst viele Wähler abnimmt. Das schließt mit ein, dass er sich genau überlegen muss, wie er mit Rechtspopulisten umgeht und wie sich die Sozialdemokratie positionieren sollte – am besten jedenfalls ohne Begleitmusik aus der Bundesparteizentrale, also auch ohne Meldungen von Rendi-Wagner, die dann eh wieder nur zerredet werden.
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