Mit Blick auf Wahlniederlagen

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ANALYSE. Strompreisbremse: Zusammentreffen von ÖVP- und größeren Krisen ergibt eine toxische Gemengelage, die vieles schlimmer machen könnte.

Möglich, dass es im Tiroler Landtag bald keine Groß- und auch keine Kleinpartei mehr gibt, sondern sechs Mittelparteien: Jüngste Umfragen können die Neos und die Liste Fritz jedenfalls auf starke Zugewinne hoffen lassen – und müssen die ÖVP auf der anderen Seite einen Absturz von 44,3 auf rund 25 Prozent befürchten lassen. Dazwischen: Grüne, Freiheitliche und Sozialdemokraten.

Uninteressant, singuläres Ereignis von regionaler Bedeutung? Woher: Bei der Volkspartei entspricht das ungefähr auch dem Trend österreichweit und in Niederösterreich, wo Anfang des kommenden Jahres gewählt wird. Für sie ist etwas ins Rutschen gekommen, was sie als bestimmende Kraft in dieser Republik gefährdet.

Da kann Bundeskanzler und ÖVP-Chef Karl Nehammer noch so oft behaupten, Umfragewerte würden ihn nicht interessieren; relevant für ihn seien zurzeit zum Beispiel Gasmengen. Das kann nicht stimmen: Wenn die Volkspartei abstürzt, verliert sie die Möglichkeit, sich um die Energieversorgung zu kümmern. Anders ausgedrückt: Wenn es Nehammer nicht schafft, das Ruder für seine Partei herumzureißen, kann er zum Beispiel Gasspeicherstände bald als Ex-Kanzler wie jeder einfache Bürger verfolgen, ohne Einfluss darauf nehmen zu können; und es wird keinen Parteikollegen geben können, der ihm am Ballhausplatz nachrücken kann – sie alle werden massiv an Bedeutung verlieren.

Karl Nehammer muss auf die Umfragewerte reagieren. Und er tut daher auch alles, um das Ruder herumzureißen. Was verhängnisvoll ist: „Koste es, was es wolle“ wird Dauerprogramm. Siehe „Strompreisbremse“. Grundsätzlich eine Maßnahme, die für Millionen Menschen in Österreich wichtig ist. Wie insbesondere auch Kritik von Ideengebern (insbesondere WIFO-Chef Gabriel Felbermyr) verdeutlicht, geht es jedoch um das Maß.

These: Mit einem gestützten Fixpreis von zehn Cent pro Kilowattstunde Strom bis zu einem Jahresverbrauch von 2900 kWh pro Haushalt werden negative Nebeneffekte ausgelöst. Storm wird so günstig, dass ein Anreiz, Energie zu sparen, verloren geht. Vor allem auch für diejenigen, die es sich leisten könnten; die einen Spielraum hätten, auf das eine oder andere Gerät zu verzichten oder sich ein effizienteres anzuschaffen.

Damit werden auch angekündigte Energiesparkampagnen ins Leere gehen. Sie sollten ohnehin erst nach der Tirol-Wahl beginnen, weil es hier ja um etwas geht, was durchaus unpopulär sein kann. Dann wäre es ohnehin schon schwer bis unmöglich geworden, eine Masse zu Verhaltensänderungen zu bewegen. Wie IHS-Empfehlungen zu entnehmen ist, wäre das wohl nur im Rahmen eines aufwendigen wie langwierigen Prozesses mit persönlichen Beratungsgesprächen und dergleichen möglich. Nicht aber (nur) durch irgendwelche Inserate.

Bei der Strompreisbremse besteht also die Gefahr, dass sie erstens unnötig viel Steuergeld kostet und zweitens direkt wie indirekt Versorgungsengpässe im kommenden Winter befeuert; weil zu viele Leute zu wenig Energie sparen und weil sie durch keine Kampagne dazu motiviert werden können, mehr Energie zu sparen.

Das Schlimme ist, dass ein paar Monate nach Tirol in Niederösterreich gewählt wird. Und dass der Handlungsbedarf für die Politik so oder so weiter zunehmen dürfte; nicht nur Haushalte, auch Unternehmen müssten schließlich gestützt werden. Und dass die ÖVP mit Blick auf eine weitere Wahlniederlage und in der Hoffnung, spürbare Krisenfolgen kurzfristig abwenden zu können, weitere Hilfts- und Fördermaßnahmen als entscheidende Regierungspartei dann erst recht aufdoppeln wird. Das läuft auf einen Crashkurs hinaus.

Ja, andere Parteien mögen ihr hier um nichts nachstehen. Keine aber steht so sehr unter Druck wie sie. Siehe Umfragewerte.

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