Lösungen sind gut, aber nicht genug

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ANALYSE. Von der Papierform her könnten Neos und Grüne besser liegen. Auch ihnen setzen Leute wie Dankl und Wlazny jedoch zu. Ein Erklärungsversuch.

Die Salzburger Gemeinderatswahl sei ein „Warnschuss“ für Neos gewesen, meint Veit Dengler, der die Partei einst gemeinsam mit Matthias Strolz gegründet hat und der bei der Nationalratswahl auf der Liste der Partei kandidieren möchte, in einem Interview mit der „Kleinen Zeitung“. In der Landeshauptstadt reichte es nur noch für dreieinhalb Prozent. Von den 12,4 Prozent bei der ersten Kandidatur vor genau zehn Jahren ist also nicht mehr viel übriggeblieben.

„Die Ränder profitieren, da sie präsent sind und einfache, wenn auch falsche Lösungen für die wichtigen Themen Migration und Wohnen plakativ vermitteln“, meint Dengler. Das ist eine bemerkenswerte Aussage: Zum jüngsten Urnengang liegt keine Wählerstromanalyse vor. Bei der Landtagswahl vor einem Jahr dürften aber besonders auch enttäuschte Neos-Anhänger zum Kommunisten Dankl gewechselt sein. Genauer: Es handelte sich um ein Sechstel ihrer Ex-Wähler.

Haben sie sich radikalisiert, wie der Hinweis auf die „Ränder“ vermuten lassen könnte? Wohl kaum. Im Übrigen haben sie Dankl möglicherweise nicht wegen richtiger oder falscher Lösungen gewählt, sondern aufgrund seines persönlichen Wirkens im weitesten Sinne: Der Mann theoretisiert nicht (nur), sondern packt in vielen Einzelfällen an. Das führt nicht zu einem besseren System, reicht jedoch für Ankerkennung und Wahlerfolge. Vor allem, weil es schon so weit ist: Es erwartet kaum noch jemand, dass Politik gewaltigen Herausforderungen gerecht werden kann; und es glaubt auch fast niemand mehr, dass Lösungen, die vor Wahlen angekündigt werden, jemals umgesetzt werden.

Das ist ein riesiges Problem, aber noch nicht das ganze: Seit der Pandemie bzw. den Kontaktbeschränkungen scheint die Verbindung zwischen „den“ Leuten und „der“ Politik schwächer denn je zu sein. Auch weil sich „die“ Politik lieber auf Berater verlässt, als darauf zu setzen, einfach unter die Leute zu gehen und so ein Gefühl dafür zu entwickeln, was ihnen unter den Nägeln brennt und wie man sie für das eine oder andere darüber hinaus gewinnen könnte. Da läuft eine große Entfremdung.

Sollten also zum Beispiel Neos aus dem Stadt-Salzburg-Ergebnis schlussfolgern, dass sie sich inhaltlich mehr trauen und mutige Lösungen für Österreich präsentieren müssen, wie es Dengler anregt, wird das nicht reichen. Was absolut nichts damit zu tun hat, dass Forderungen wie jene nach einer Pensionsreform oder einem Abschied von der Neutralität Minderheitenpositionen sind. Im Gegenteil, weil die Partei diese Minderheitenpositionen allein bezieht, kann sie damit sogar relativ viele, ja vielleicht 20, 25 Prozent der Wähler erreichen.

Der Punkt ist jedoch, dass derlei viele Wähler nicht davon abhalten wird, zu einem Kay-Michael Dankl oder einem Dominik Wlazny zu wechseln. Oder einem anderen, einer anderen, die früher oder später unter Garantie die politische Bühne betreten wird. Das kann man aus Umfrageergebnissen zur Kanzlerfrage herauslesen: 30, 40 Prozent geben derzeit niemandem den Vorzug. Kickl und Nehammer liegen mit allenfalls je gut 20 Prozent „vorne“. Das schreit nach einem neuen Angebot. Und daher wird es irgendwann eben auch ein solches geben.

Wobei für ein neues oder ein erneuertes Angebot entscheidend ist, einfach nicht unglaubwürdig, sondern am besten glaubwürdig zu wirken. Dankl und Wlazny tun das. Der eine mit mehr, der andere mit gar keinem Inhalt.

Die Grünen versuchen darauf zu reagieren, indem sie keine profilierte Europapolitikerin, keinen profilierten Europapolitiker in die EU-Wahl schicken, sondern die Klimaaktivistin Lena Schilling. Ob das gutgehen wird? Es ist ein Risiko – und ein Signal dafür, dass die Partei aus sich heraus keine Möglichkeit mehr sieht, den Umständen gerecht zu werden: Zu Schillings Stärken zählt, dass sie keine Politikern ist und als Aktivistin beim Klimaschutz glaubwürdig ist.

Neos hat bei alledem vielleicht noch Glück im Unglück. Beate Meinl-Reisinger ist die Parteichefin mit den am wenigsten schlechten Vertrauenswerten. Laut OGM-Erhebung für die APA vom Dezember vertrauen ihr immerhin 40 Prozent und misstrauen ihr „nur“ 44 Prozent. Bei Karl Nehammer (ÖVP) handelt es sich um Beispiel um 30 und 63 Prozent. Sprich: Er hat fast zwei Drittel, die ihm distanziert bis ablehnend gegenüberstehen.

Doch auch die Neos halten derzeit laut „Hajek“-Erhebung für ATV/Puls 24 lediglich acht Prozent. Wie die Grünen. Und Wlazny (!). These: Auch die Neos haben einst vor allem in den Nationalrat kommen können, weil eine Person gewirkt hat. Matthias Strolz. Seine Energie, seine Leidenschaft, seine politische Unverbrauchtheit. Das war für sich schon ein Kontrastprogramm zu einer müden, alten ÖVP, die nichts mehr kann und nichts mehr will. Das über viele Jahre hinweg aufrecht zu erhalten, ist jedoch schwer bis unmöglich.

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