ANALYSE. Für die SPÖ könnte es nach der Sache mit der „Wien Energie“ naheliegend sein, einen starken, regulierenden Staat zu fordern und auch dafür zu sorgen, wo sie kann. Zumal es der Vorstellung sehr vieler Menschen entsprechen dürfte und der Druck von rechts groß ist.
Unter Börsianern geht die Sorge um, dass die Sache mit der „Wien Energie“ zu einem Backslash führt. Dass man sich zumindest dort, wo die SPÖ Verantwortung trägt, von den Märkten möglichst weit zurückzieht und dazu übergeht, einen starken, regulierenden Staat zu propagieren, der sich selbst um die Befriedigung aller Grundbedürfnisse kümmert; insbesondere also auch um die Energieversorgung.
Wie man dazu steht, ist an dieser Stelle nebensächlich. Es geht darum, dass ein solcher Schritt für die Sozialdemokratie naheliegend sein könnte. Zumal er der Vorstellung sehr vieler Bürgerinnen und Bürger entsprechen dürfte. Gerade in Österreich, gerade in Wien.
These: Für nicht wenige ist es neu, dass Wien Energie ein (rechtlich) eigenständiges Unternehmen ist; und dass es über Börsen versucht, die Strom- und Gasversorgung langfristig zu günstigen Konditionen zu gewährleisten. Für sie ist Wien Energie bisher quasi Teil der Stadtverwaltung gewesen, der Gas aus Russland weiterleitet und Strom in eigenen Kraftwerken produziert oder allenfalls aus der Freudenau (Wasserkraftwerk der Verbund-Gesellschaft) zukauft.
Umso größer ist die Welt, die nach alledem, was bisher bekannt geworden ist, zusammenbricht. Da geht es noch nicht einmal um diskutierte Strategien, Volumina, Laufzeiten, Risiken und vieles andere mehr. Es geht um Widerspruch und Kontrollverlust, der hier deutlich wird. Man hat freie Märkte abgelehnt und sich mehr oder weniger zwangsläufig an ihnen beteiligt; man ist abhängig geworden.
Allein von daher ist es schon daneben, wenn Spin-Doktoren von einem Sturm im Wasserglas reden. Die Schäden sind groß, politische Mitbewerber versuchen, sie zu verstärken. Dazu kommen Eigenbeiträge, wie ein Kommunikationsversagen und die Anwendung der Notkompetenz durch Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ): Man spricht nicht umsonst von einer „Not“-Kompetenz. Damit wird transportiert, dass es sich um keine Routineangelegenheit im Rahmen irgendeiner Beiläufigkeit handelt, sondern um eine ernste, dringliche Geschichte.
Also Linksruck, hin zur Betonung des erwähnten Staates: Es gibt kein „Weiter wie bisher“ für die SPÖ, und es würde auch nicht der Logik entsprechen. Es existieren Parteien, die mehr und Parteien, die weniger freien Markt propagieren. In Österreich gibt es sogar eine Mehrheit für weniger freien Markt, also einen Staat, der stärker eingreift. Wo es um ihre Klientel geht, kennt diesbezüglich beispielsweise auch die ÖVP keine Hemmungen. In wichtigen Fragen redet sie im Übrigen von „Koste es, was es wolle“ (also „Schulden egal“) und wendet bei Ausgleichsmaßnahmen zur Teuerung die Gießkanne an. Die Freiheitlichen würden ihr zumindest diesbezüglich um nichts nachstehen, Preise regulieren und Massensteuern reduzieren.
Das zwingt die SPÖ auch von daher, stärker herauszuarbeiten, was ihre Einzigartigkeit ausmacht. Eine solche ist notwendig, um sich bei Wahlen behaupten zu können. In den vergangenen Monaten haben sich Pamela Rendi-Wagner, Freundinnen und Freunde, zu sehr darauf verlassen, von der ÖVP-Krise zu profitieren. Jetzt müssen sie sich selbst bzw. ihrer Programmatik zuwenden, um verloren gegangenes Vertrauen zurückzugewinnen.